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06.06.2024 13:13
Vom Wesen der Tänzer:innen
„Sag‘ mir, ob Du tanzt und ich sag‘ Dir, wer Du bist!“ Eine Studie unter Leitung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main hat ergeben: Sowohl Hobby- als auch Profi-Tänzer:innen sind weniger neurotisch als Menschen, die nicht tanzen. Zudem sind sie verträglicher und zeichnen sich durch ein hohes Maß an Offenheit sowie Extravertiertheit aus. Die Studienergebnisse wurden jüngst im Fachjournal Personality and Individual Differences veröffentlicht.
Die Forscher:innen vom MPIEA haben in Kooperation mit Matthias Blattmann, Leiter der Freiburger Tanzschule Gutmann und der Tanzloft GmbH, sowie Luisa Sancho-Escanero, Tanzdirektorin am Pfalztheater Kaiserslautern, Daten von 5.435 Personen aus Schweden und 574 Personen aus Deutschland ausgewertet. Untersucht wurden die Big Five-Persönlichkeitsprofile „Offenheit“, „Gewissenhaftigkeit“, „Extraversion“, „Verträglichkeit“ und „Neurotizismus“.
„Das Besondere an dieser Arbeit ist, dass wir eine hohe Anzahl an repräsentativen Stichproben aus zwei verschiedenen Ländern zusammenführt haben. Derlei Daten sind im Allgemeinen spärlich und bisherige Studien basieren oft auf kleinen Stichproben“, erklärt Seniorautor Fredrik Ullén, Direktor am MPIEA.
In Schweden konnte das Forschungs-Team auf Stichproben einer bereits bestehenden Datenbank zurückgreifen, die unter anderem Ergebnisse zum kreativen Engagement und der Tanzleistung der Teilnehmer:innen enthielt. Für die Erhebung der Daten aus Deutschland entwickelten die Forscher:innen eigens eine Online-Umfrage, die von Tanz-Institutionen breit beworben wurde.
Schon in früheren Studien wurde festgestellt, dass Musiker:innen verträglicher und offener gegenüber Mitmenschen sind als Nicht-Musiker:innen. In der aktuellen Studie bestätigte sich dies auch für Tänzer:innen. Allerdings fanden die Forscher:innen auch einen interessanten Unterschied zwischen beiden Gruppen heraus: Im Gegensatz zu Musiker:innen sind Tänzer:innen nicht neurotischer, sondern – im Gegenteil – weniger neurotischer als Menschen, die nicht tanzen.
„Generell weisen sowohl Tänzer:innen als auch Sänger:innen in ihrer Persönlichkeit ein hohes Maß an Extraversion auf – was eventuell darauf zurückzuführen ist, dass beim Tanzen und Singen der eigene Körper als Ausdrucksmittel eingesetzt wird. Dies bedeutet, dass sie sie sich in einer sozial exponierteren Situation befinden als jemand, der sich zum Beispiel durch ein Instrument ausdrückt. Genauere Erklärungen für dieses Ergebnis müssen aber noch durch weitere Studien gefunden werden“, berichtet Erstautorin Julia F. Christensen vom MPIEA.
Zudem fanden sich erste Hinweise, dass es Persönlichkeitsunterschiede zwischen Tänzer:innen verschiedener Tanzstile gibt. So schienen Swing-Tänzer:innen noch weniger neurotisch zu sein als zum Beispiel Latein- und Standardtänzer:innen. Doch dies gilt es noch anhand größerer Datenmengen zu bestätigen. Die Forscher:innen hoffen in der Zukunft, ihre Untersuchungen zur Persönlichkeit von Tänzer:innen auf weitere Kulturen und Tanzstile ausweiten zu können.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Dr. Julia F. Christensen
julia.christensen@ae.mpg.de
Originalpublikation:
Christensen, J. F., Wesseldijk, L., Mosing, M., Fayn, K., Schmidt, E., Blattmann, M., Sancho-Escanero, L., & Ullén, F. (2024). The Dancer Personality: Comparing Dancers and Non-Dancers in Germany and Sweden. Personality and Individual Differences, 112603. https://doi.org/10.1016/j.paid.2024.112603
Bilder
Tänzer:innen und Sänger:innen weisen in ihrer Persönlichkeit ein hohes Maß an Extraversion auf.
(Collage: MPI für empirische Ästhetik / N. A. Tran)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Kulturwissenschaften, Musik / Theater, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch