Warum alternde Eizellen DNA-Schäden schlechter reparieren können



Teilen: 

05.03.2025 11:15

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Warum alternde Eizellen DNA-Schäden schlechter reparieren können

Eizellen brauchen Durchhaltevermögen: Bereits vor der Geburt werden sie im Körper einer Frau angelegt und müssen sich dann über Jahrzehnte bereithalten, um möglicherweise eines Tages befruchtet zu werden. Doch mit zunehmendem Alter häufen sich immer mehr DNA-Schäden in Eizellen an. Bislang war unklar, warum die zelleigenen Reparaturmechanismen diese Schäden nicht beseitigen. Forschende um Melina Schuh und Ninadini Sharma vom Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften haben jetzt in Versuchen an Mäusen gezeigt, dass ältere Eizellen ihre DNA weniger effizient reparieren als junge und dass die Reparatur mit zunehmendem Alter fehleranfälliger wird.

Menschliche Körperzellen leben je nach Zelltyp und -funktion unterschiedlich lange. Hautzellen erneuern sich alle zwei bis vier Wochen. Leberzellen überdauern bis zu 500 Tage. Eizellen sind besonders langlebig: Schon vor der Geburt sind sie im weiblichen Körper angelegt und erneuern sich nicht. Eine 30-jährige Frau hat also Eizellen, die etwa so alt sind wie sie selbst.

Die Fähigkeit der Eizelle, Schäden in ihrer DNA zu reparieren, ist entscheidend, damit sie lange funktionsfähig bleibt und nicht abstirbt. Dafür haben Eizellen eine komplexe Reparaturmaschinerie mit verschiedenen Reparaturwegen entwickelt: Spezielle Proteine erkennen Veränderungen in der DNA und reparieren sie. Diese Maschinerie ist auch für die Reparatur von DNA-Schäden verantwortlich, die im Sperma des Vaters und im sich entwickelnden Embryo auftreten. Doch trotz des Vorhandenseins mehrerer DNA-Reparaturmechanismen häufen sich nicht reparierte DNA-Schäden in alternden Eizellen an. Bisher war unklar, warum dies geschieht.

Reparatur ineffizienter und fehleranfälliger

Ein Forschungsteam um Melina Schuh, Leiterin der Abteilung Meiose am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, hat jetzt junge und alternde Eizellen hinsichtlich ihrer DNA-Schäden und DNA-Reparaturmaschinerie miteinander verglichen. Mithilfe von hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie ermittelten die Wissenschaftler*innen die Menge an Schäden in unterschiedlich alten Eizellen von Mäusen, kartierten wichtige Reparaturproteine im Zellkern und analysierten, wie sich ihre Aktivität und ihr Zusammenspiel mit dem Alter verändern. „Die Reparatur in älteren Eizellen ist ineffizienter. Sie verläuft nicht nur langsamer, sondern teilweise auch unvollständig“, sagt Schuh. DNA-Schäden häufen sich so in der Zelle an.

Reparatur-Netzwerk im Wandel

Um die Reparaturmaschinerie von Eizellen besser zu verstehen, erstellte das Team eine „Karte“ der wichtigsten Reparaturproteine im Zellkern der Eizelle. Die Karte zeigte, dass sich DNA-Reparaturproteine in bestimmten Bereichen des Zellkerns befinden. „Diese Bereiche sind miteinander vernetzt oder liegen eng beieinander – ein Hinweis auf eine koordinierte Anordnung und Aktivität“, erklärt Ninadini Sharma, ehemalige Doktorandin in Schuhs Abteilung und Erstautorin der im Fachmagazin Current Biology veröffentlichten Studie.

Aber: „Die Bereiche und ihre Aktivität verändern sich stark mit dem Alter, zum Beispiel wie häufig Reparaturproteine in welchen Bereichen zu finden sind und wie sie auf DNA-Schäden reagieren“, ergänzt Sharma. Fehleranfällige Reparaturwege werden häufiger genutzt, während fehlerfreie Wege an Effizienz verlieren.

Cohesin-Verlust weiterer Faktor

Neben diesen Veränderungen identifizierten die Forschenden einen weiteren Grund für die zunehmenden Schäden in gealterten Eizellen: Die Menge des Proteins Cohesin nimmt mit dem Alter ab. Cohesin hält Schwesterchromosomen zusammen, bis sie bereit sind, sich während der Zellteilung zu trennen. Fehlendes Cohesin führt daher zu Fehlern bei der Chromosomentrennung. Gleichzeitig ist das Protein für die DNA-Reparatur unerlässlich: Wenn beispielsweise ein DNA-Strang gebrochen ist, sorgt es dafür, dass der beschädigte Teil mithilfe eines intakten DNA-Strangs als Vorlage repariert werden kann.

Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass allein das Fehlen von Cohesin zu mehr DNA-Schäden in Eizellen führt, und zwar nicht nur bei alternden Zellen. „Interessanterweise zeigten junge Eizellen ohne Cohesin teilweise ähnliche Proteinveränderungen und DNA-Schäden wie ältere Eizellen“, berichtet Schuh. „Offenbar befeuert nicht nur die langsamere, fehleranfälligere Reparaturmaschinerie, sondern auch der Cohesin-Rückgang im Alter das Absterben der Eizellen.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Melina Schuh
Abteilung Meiose
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
Tel.: +49 551 201-26000
E-Mail: melina.schuh@mpinat.mpg.de


Originalpublikation:

Sharma, N.; Coticchio, G.; Borini, A.; Tachibana, K.; Nasmyth, K. A.; & Schuh, M.: Changes in DNA repair compartments and cohesin loss promote DNA damage accumulation in aged oocytes. Current Biology 34, 5131-5148.e6 (2024).
https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.09.040


Weitere Informationen:

https://www.mpinat.mpg.de/4945984/pr_2504 – Original-Pressemitteilung
https://www.mpinat.mpg.de/de/mschuh – Webseite der Abteilung Meiose, Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften


Bilder

Eine Maus-Eizelle stößt einen sogenannten Polkörper aus. Dieser wichtige Schritt in der Meiose stellt sicher, dass die Eizelle einen einfachen Chromosomensatz enthält. Chromosomen in Magenta, der Spindelapparat, der die Chromosomenpaare trennt, in Grün.

Eine Maus-Eizelle stößt einen sogenannten Polkörper aus. Dieser wichtige Schritt in der Meiose stell
Ninadini Sharma
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften

In einer Maus-Eizelle sind die Chromosomen blau, Cohesin grün und die Kinetochoren magenta angefärbt. Die Experimente zeigten, dass Cohesin auch bei der DNA-Reparatur eine Rolle spielt.

In einer Maus-Eizelle sind die Chromosomen blau, Cohesin grün und die Kinetochoren magenta angefärbt
Ninadini Sharma
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW