Wie die Hirnstimulation Parkinson-Symptome lindert



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27.05.2025 12:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie die Hirnstimulation Parkinson-Symptome lindert

Menschen, die an Parkinson leiden, büßen im Lauf der Zeit immer mehr Bewegungsfähigkeit ein und können irgendwann nicht mehr gehen. Hoffnungen ruhen auf der tiefen Hirnstimulation, auch Hirnschrittmacher genannt. In einer aktuellen Studie haben Forschende der Universitäten Bochum und Marburg untersucht, ob und wie die Stimulation einer bestimmten Hirnregion die Gehfähigkeit positiv beeinflussen und Patienten mehr Lebensqualität zurückgeben kann. Dafür nutzten sie eine Technik, bei der Nervenzellen mit Licht ein- und ausgeschaltet werden. Sie berichten in der Zeitschrift Scientific Reports vom 12. April 2025.

Die Gehfähigkeit positiv beeinflussen

Wenn die Bewegungseinschränkungen durch Parkinson im fortgeschrittenen Stadium durch Medikamente nicht mehr ausreichend gelindert werden können, kommt eine tiefe Hirnstimulation infrage. Dabei wird ein elektrischer Impulsgeber implantiert, zum Beispiel in die Gehirnregion des Nucleus subthalamicus, der funktionell zu den Basalganglien gezählt wird.

Die Gruppe um Dr. Liana Melo-Thomas von der Philipps Universität Marburg konnte in bisherigen Studien mit Ratten zeigen, dass auch die Stimulation des inferioren Colliculus – der vornehmlich für die Verarbeitung auditorischer Eingänge bekannt ist – zu einer Überwindung der Bewegungsblockade genutzt werden kann. „Es gibt Hinweise darauf, dass die Stimulation dieser Hirnregion zur Aktivierung der sogenannten Mesencephalen Locomotor Region, kurz MLR, führt“, sagt Melo-Thomas.

Interessanterweise ist das Colliculus inferior – im Gegensatz zu den Basalganglien – von der Parkinson-Krankheit nicht betroffen; jedoch hat die Forschungsgruppe unter der Leitung von Liana Melo-Thomas entdeckt, dass seine Stimulation alternative motorische Bahnen aktivieren und die motorische Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern kann.

Ziel der aktuellen Studie war es, den aktivierenden Einfluss des inferioren Colliculus auf die MLR weiter zu charakterisieren. „Wir vermuteten hierin einen positiven Effekt auf die Fähigkeit zu gehen“, so Liana Melo-Thomas.

Nervenzellen optisch beeinflussen

Dazu kooperierte die Marburger Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Rainer Schwarting mit Dr. Wolfgang Kruse vom Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum. Das Bochumer Team unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Herlitze hat die Methoden der Optogenetik maßgeblich mitentwickelt. Dabei sorgen die Forschenden dafür, dass die Nervenzellen genetisch veränderter Versuchstiere in interessanten Gehirnregionen ein lichtempfindliches Protein produzieren. Mit Licht, das über winzige, implantierte Fasern diese Nervenzellen erreicht, lassen sie sich dann gezielt aktivieren oder hemmen. „Die Methode ist somit viel genauer als eine elektrische Stimulation, bei auch immer die Umgebung der Zellen beeinflusst wird“, erklärt Wolfgang Kruse.

Die Auswirkung der Stimulation konnte erstmals auch direkt mit elektrophysiologischen Messungen der neuronalen Aktivität in den Zielstrukturen dokumentiert werden. Hierzu kam ein Multi-Elektroden-System zum Einsatz, das ursprünglich an der Philipps Universität entwickelt wurde. Durch die Kombination der Methoden konnten die Forschenden die Wirkung der Stimulation direkt nachvollziehen. Die parallele Messung mit bis zu vier Elektroden ist darüber hinaus sehr effizient, sodass die Zahl der eingesetzten Tiere minimiert werden konnte. Zudem wurden an wachen Tieren die Verhaltenseffekte kontrolliert, die durch die Stimulation ausgelöst werden können.
Stimulation des inferioren Colliculus führt zum erwünschten Effekt

Die optogenetische Reizung im Colliculus löste dort überwiegend die zu erwartende Zunahme neuronaler Aktivität aus. „Die gleichzeitige Messung in der tiefer gelegenen MLR-Region zeigte in der Mehrheit der Zellen erhöhte Aktivität, allerdings gab es auch ein knappes Viertel der Zellen, die von der zusätzlichen Aktivität im Colliculus gehemmt wurden“, berichtet Wolfgang Kruse. Die Aktivierung einzelner Nervenzellen erfolgte mit durchschnittlich 4,7 Millisekunden Verzögerung, was auf eine funktionelle synaptische Verschaltung zwischen inferiorem Colliculus und MLR deutet.

Grundlage für neue Therapien

Bei der Suche nach einem neuen therapeutischen Ansatz zur Linderung der motorischen Defizite bei Parkinson’scher Krankheit ist es vielversprechend, Schaltkreise zu untersuchen, die sich außerhalb des von den Auswirkungen der Erkrankung betroffenen Basalganglien befinden. Das trifft für die hier untersuchte Verbindung zwischen inferioren Colliculus und MLR zu.

„Auch wenn der Weg zu neuen Therapieansätzen zur Linderung der Symptome der Parkinson’schen Krankheit noch weit erscheint, ist die Bedeutung solcher Grundlagenforschung hoch“, unterstreicht Wolfgang Kruse. Tatsächlich sind die genauen Wirkmechanismen, die beim Einsatz der tiefen Hirnstimulation in den Basalganglien zu der beobachtbaren Linderung der Symptome führen, nicht vollständig aufgeklärt. Eine weitere Untersuchung der zugrundeliegenden Schaltkreise kann hier neue Erkenntnisse liefern, die langfristig auch zu einer Optimierung der Therapie führen können.

Förderung

Diese Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit den Stipendien ME4197/2 und ME4197/3 und von der Coordination for the Improvement of Higher Education Personnel-CAPES, Brasilien, (PROBRAL Grant 88881.198683/2018-01) unterstützt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Wolfgang Kruse
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32-24343
E-Mail: wolfgang.kruse@ruhr-uni-bochum.de

Dr. Liana Melo-Thomas
Philipps-Universität Marburg
Tel.: + 49 6421 28 26507
E-Mail: liana.melothomas@staff.uni-marburg.de


Originalpublikation:

José A. Pochapski, Jan Franke, Wolfgang Kruse, Ralf Jacob, Stefan Herlitze, Claudio Da Cunha, Rainer K. W. Schwarting, Liana Melo-Thomas: Optogenetic Stimulation of Inferior Colliculus Neurons Elicits Mesencephalic Locomotor Region Activity and Reverses Haloperidol-induced Catalepsy in Rats, in: Scientific Reports, 2025, DOI: 10.1038/s41598-025-96995-4, https://doi.org/10.1038/s41598-025-96995-4


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW