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19.11.2025 12:32
Zellen ziehen bei Sauerstoffmangel die Notbremse
Wenn es menschlichen Zellen an Sauerstoff mangelt, müssen sie reagieren. Denn ohne Sauerstoff kann über den Stoffwechsel kaum Energie gewonnen werden und viele lebenswichtige Prozesse geraten ins Stocken. Ein Forschungsteam der Universität Bielefeld hat gemeinsam mit internationalen Partner*innen herausgefunden, wie Zellen in dieser Situation Energie einsparen können: Sie bremsen gezielt den sogenannten sekretorischen Weg, also den Transportweg, über den Zellen, z.B. Proteine, nach außen abgeben oder an andere Zellbereiche weiterleiten. Die Studie ist jetzt im Fachjournal PNAS erscheinen.
Gezeigt wird, dass das Protein NDRG3 eine zentrale Rolle bei dieser Anpassung spielt. NDRG3 wirkt als Sensor für das Stoffwechselprodukt Laktat, das während Sauerstoffmangel (Hypoxie) entsteht. Das Protein greift in den Transportprozess zwischen zwei Zellorganellen ein, dem endoplasmatischen Retikulum (ER) und dem Golgi-Apparat. Diese Strukturen sind so etwas wie die Produktions- und Versandabteilung der Zelle: Im ER werden Proteine hergestellt, im Golgi-Apparat weiterverarbeitet und verteilt.
„Wir konnten zeigen, dass NDRG3 in Phasen von Sauerstoffmangel den Transport zwischen ER und Golgi gezielt verlangsamt“, erklärt Professor Michael Schwake, Letztautor der Studie. „Damit spart die Zelle Energie und vermeidet unnötige Aktivität in einer Phase, in der sie auf Sparflamme läuft.“
Ein molekularer Schalter spart Energie
Im Detail fanden die Forschenden heraus, dass NDRG3 unter Sauerstoffmangel das dabei entstehende Laktat bindet und „Laktat-beladen“ mit einer bestimmten Form von Syntaxin-5 interagieren kann. Dieses Protein gehört zu einem sogenannten SNARE-Komplex, einem molekularen Membranfusionsystem, das kleine Bläschen (Membranvesikel) mit Transportstoffen von einem Zellbereich zum anderen schleust. Durch die Bindung an Syntaxin-5 stört NDRG3 diesen Prozess gezielt und sorgt dafür, dass der Stofftransport zwischen ER und Golgi verlangsamt wird.
Fehlt NDRG3, funktioniert diese Bremse nicht: Zellen ohne das Protein setzen den Transport fort, obwohl ihnen Sauerstoff fehlt. Damit liefern die Ergebnisse einen neuen mechanistischen Zusammenhang zwischen Sauerstoffmangel und der Regulation des Zellstoffwechsels.
Neue Einblicke in Krankheitsmechanismen
Das Verständnis dieser Prozesse ist nicht nur für die Zellbiologie interessant. „Einige Krankheiten, wie Muskelerkrankungen und Epilepsien, hängen mit Störungen in genau diesen Transportwegen zusammen“, sagt Pia Ferle „Unsere Erkenntnisse könnten daher langfristig helfen zu verstehen, warum solche Krankheiten auf molekularer Ebene entstehen und wie man gezielt behandeln kann.“
Die Studie verbindet damit zwei bislang getrennte Forschungsfelder: die zelluläre Antwort auf Sauerstoffmangel und der daraus folgende Anstieg an Laktat und die Regulation des Proteintransports in der Zelle. Sie zeigt, wie eng beide Prozesse verknüpft sind und wie präzise Zellen auf veränderte Umweltbedingungen reagieren können.
An der Arbeit beteiligt waren neben dem Team von Professor Schwake auch Forschende aus den USA. Federführend war das Team der Universität Bielefeld, das die molekularen Zusammenhänge im Detail analysierte.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. (Apl.) Dr. Michael Schwake, Universität Bielefeld
Fakultät für Chemie
Telefon 0521 106-6918 (Sekretariat)
E-Mail: michael.schwake@uni-bielefeld.de
Originalpublikation:
Pia E. Ferle, Niklas Krause, Judith Koliwer, Jörn Michael Völker, Fabia Becker, Alexander Hillebrand, Leonie F. Schröder, Stefanie Jäger, Seby Edassery, Dali Liu, Nevan Krogan, Jeffrey N. Savas, Gabriele Fischer von Mollard und Michael Schwake: The lactate sensor NDRG3 decelerates ER-to-Golgi transport through interaction with the long isoform of syntaxin-5. The lactate sensor NDRG3. DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2511307122. Veröffentlicht am 18.11.2025.
Weitere Informationen:
https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/chemie/ag/bc3-mollard/arbeitskreis-schw… Website der Arbeitsgruppe
Bilder
Professor (Apl.) Dr. Michael Schwake und Pia Ferle im Labor an der Universität Bielefeld.
Quelle: Mike-Dennis Müller
Copyright: Universität Bielefeld
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch





































































































