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03.09.2025 09:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Wie Patientinnen und Patienten zu Medizin-KI stehen
Wie Ärztinnen und Ärzte zu Künstlicher Intelligenz in der Medizin stehen, wurde vielfach untersucht. Aber was denken Patientinnen und Patienten? Ein Team um Forschende der Technischen Universität München (TUM) hat das erstmals in einer großen Studie auf sechs Kontinenten untersucht. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI abgelehnt. Die Studie soll dabei helfen, künftige Anwendungen der KI in der Medizin stärker an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten auszurichten.
Egal, ob KI als Diagnosewerkzeug, um individuelle Behandlungspläne zu erstellen oder für sonstige Anwendungen eingesetzt wird: Um Künstliche Intelligenz in der Medizin effektiv einzusetzen ist Akzeptanz durch Patientinnen und Patientinnen unverzichtbar. Das internationale Forschungsnetzwerk der COMFORT-Studie hat deswegen rund 14.000 Patientinnen und Patienten in 74 Kliniken in 43 Ländern befragt. Um eine breite Krankheitsvielfalt abzubilden, erfolgte die Rekrutierung in Radiologieabteilungen, die im Auftrag anderer Fachdisziplinen Röntgen-, CT- und MRT-Untersuchungen durchführen.
Eine Mehrheit von 57,6 Prozent sah den Einsatz von KI in der Medizin grundsätzlich positiv. Innerhalb der Kohorte zeigen sich jedoch Unterschiede. Männer wiesen mit 59,1 Prozent Zustimmung eine etwas positivere Haltung als Frauen mit 55,6 Prozent auf. Mit höherer Technikaffinität und höherem selbsteingeschätzten Verständnis von KI stiegt die Zustimmung deutlich. Unter den Befragten, die angaben, viel über KI zu wissen, beurteilten 83,3 Prozent deren Einsatz in der Medizin grundsätzlich positiv.
Negative Sicht auf KI bei schwerer Erkrankung
Je schwerer die eigene Erkrankung war, desto ablehnender war auch die Haltung zu KI. Mehr als die Hälfte Patientinnen und Patienten mit sehr schlechtem Gesundheitszustand sahen Medizin-KI „sehr negativ“ oder „eher negativ“ (26,6% bzw. 29,2%). Unter den Befragten mit sehr gutem Gesundheitszustand lagen diese Werte dagegen bei 1,3 und 5,3 Prozent.
„Die exakten Gründe für die negativen Haltungen bei schwer Erkrankten lassen sich aus unserer Studie nicht ablesen“, sagt Dr. Felix Busch, Assistenzarzt am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der TUM und Erstautor der Studie. „Wir vermuten, dass hier Erfahrungen mit dem jeweiligen Gesundheitssystem, die Krankheitslast und psychologische Faktoren eine Rolle spielen.“
Nachvollziehbarkeit von Medizin-KI entscheidend
Unter den Befragten gab es klare Präferenzen in Bezug auf den Einsatz und die Gestaltung von KI-Anwendungen. Für 70,2 Prozent war es wichtig, dass Medizin-KI „erklärbar“ ist, das heißt, dass ihre Ergebnisse nachvollziehbar sind. 72,9 Prozent wünschten sich, dass die Technologien als Werkzeuge eingesetzt werden und die letztendliche Entscheidung bei Ärztinnen und Ärzte liegt. Diagnosen, die ausschließlich von KI getroffen werden, befürworteten nur 4,4 Prozent. Allerdings wollten zugleich nur 6,6 Prozent, dass Diagnosen vollständig ohne KI gestellt werden.
Die Fragen bezogen sich auf hypothetischen Szenarien, in dem Mensch und Maschine gleichermaßen präzise Diagnosen stellen. „Die Ergebnisse zeigen, dass Erklärbarkeit von Anfang an mitgedacht werden muss“, sagt Felix Busch.
Grundlage für weitere Studien
Eine methodische Einschränkung ist der Erhebungszeitpunkt im Jahr 2023. „Seitdem haben sich insbesondere Large Language Models stark weiterentwickelt. Die Einstellungen von Patientinnen und Patienten könnten sich verändert haben“, sagt Privatdozent Dr. Keno Bressem, gemeinsam mit Privatdozentin Dr. Lisa Adams Letztautor der Studie. „Um das zu prüfen und die Entwicklung von Medizin-KI am Bedarf der Patientinnen und Patienten auszurichten, sind Folgebefragungen erforderlich“, ergänzt Lisa Adams. Eine Folgestudie des COMFORT-Konsortiums auf Grundlage des gleichen Fragebogens läuft bereits.
Publikation:
Busch F, Hoffmann L, Xu L, et al. Multinational Attitudes Toward AI in Health Care and Diagnostics Among Hospital Patients. JAMA Netw Open. 2025;8(6):e2514452. doi:10.1001/jamanetworkopen.2025.14452
Weitere Informationen:
Diese Meldung auf tum.de: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/wie-patie…
Wissenschaftlicher Kontakt:
Felix Busch
Technische Universität München
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, TUM Universitätsklinikum
Tel. +49 89 4140 1180
felix.busch@tum.de
https://radiologie.mri.tum.de
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Pressereferent
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Felix Busch
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Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, TUM Universitätsklinikum
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Originalpublikation:
Busch F, Hoffmann L, Xu L, et al. Multinational Attitudes Toward AI in Health Care and Diagnostics Among Hospital Patients. JAMA Netw Open. 2025;8(6):e2514452. doi:10.1001/jamanetworkopen.2025.14452
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Informationstechnik, Medizin, Psychologie
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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