Individuelle Unterschiede im Erbgut machen manche Therapien wirkungslos



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17.12.2025 20:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Individuelle Unterschiede im Erbgut machen manche Therapien wirkungslos

Das Genom unterscheidet sich von Mensch zu Mensch an Tausenden Positionen. In manchen Fällen hat das zur Folge, dass auch Proteine stellenweise einen anderen Baustein aufweisen. Das kann dazu führen, dass bestimmte antikörperbasierte Therapien nicht wirken, berichten Forschende der Universität Basel.

Ob gegen Krebs, Rheuma oder Multiple Sklerose: Bei vielen Erkrankungen kommen Therapien auf Basis von Antikörpern zum Einsatz. Antikörper erkennen ganz spezifische Strukturen und binden daran. So können sie beispielsweise Wirkstoffe an genau die richtige Zielstruktur im Körper heranführen.

Forschende der Departemente Biomedizin und Biozentrum der Universität Basel berichten nun in «Science Translational Medicine»: Individuelle Unterschiede im Erbgut können bei einigen Menschen verhindern, dass antikörperbasierte Therapien wirken.

Variationen sind häufiger als gedacht

Das Forschungsteam um Dr. Rosalba Lepore und Prof. Dr. Lukas Jeker hat Erbgutsequenzen Tausender Menschen aus bereits veröffentlichten Studien mit computergestützten Methoden analysiert. Die im Erbgut enthaltene DNA-Sequenz bestimmt die Abfolge der Aminosäure-Bausteine von Proteinen. Erbgutvariationen können deshalb auch zu einer veränderten Aminosäure-Abfolge führen. Das Augenmerk der Forschenden lag auf Aminosäuren an den Andockstellen etablierter Antikörpertherapien. Die Andockstellen von Antikörpern heissen in Fachkreisen auch Epitope.

Eine einzelne ausgetauschte Aminosäure im Epitop kann bedeuten, dass der Antikörper nicht mehr andocken kann. Insgesamt untersuchte das Team die Bindungsstellen von 87 therapeutischen Antikörpern, die unter anderem bei Krebstherapien oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden.

Das Team stiess auf eine erstaunlich grosse Vielzahl an natürlich vorkommenden Varianten der Aminosäure-Abfolge in Epitopen. «Diese Varianten tragen nicht selbst zur Erkrankung bei», betont Rosalba Lepore. «Der Grossteil beeinträchtigt auch nicht die Funktion des betroffenen Proteins. Aber sie können die Therapie unwirksam machen.»

Ausweichen auf andere Antikörper

Mithilfe von Computermodellen berechneten die Forschenden, welche der Varianten die Bindung der Antikörper behindern könnten. Für vier medizinisch wichtige Zielproteine und die dazugehörigen Antikörper prüften die Forschenden anschliessend die Vorhersagen. Für jedes der analysierten Proteine testete das Team mehrere therapeutische Antikörper. In den Laborexperimenten zeigte sich, dass oft ein Antikörper nicht mehr binden konnte, ein anderer, der an eine etwas andere Stelle des Zielproteins andockt, hingegen schon.

Zwar ist der Anteil an Patientinnen und Patienten, bei dem eine solche Variante auftritt und die Wirksamkeit der Therapie verhindert, relativ klein. Für den Grossteil der Varianten ist weniger als eine von hundert Personen betroffen. Trotzdem ist Lukas Jeker überzeugt: «Es ist wichtig, dass Medizinerinnen und Mediziner an diesen Aspekt denken, wenn eine Therapie nicht wirkt.»

Hinzu kommt, dass viele antikörperbasierte Therapien sehr teuer sind, dazu gehören beispielsweise CAR-T-Zellen, die gegen bestimmte Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. «Ein genetischer Test, ob die Therapie überhaupt wirken kann, wäre im Vergleich ein kleiner Kostenpunkt», sagt Dr. Romina Marone, Co-Erstautorin der Studie. Auch für neue Therapien wäre das relevant, fügt Rosalba Lepore hinzu: «Für klinische Studien kann es sich lohnen, die Bindungsstelle der Antikörpertherapie bei den Teilnehmenden zuerst zu testen.»

Gehäufte Varianten je nach Weltregion

Eine weitere Erkenntnis aus den Analysen: Bestimmte Varianten in Zielproteinen kommen zwar beispielsweise in Europa sehr selten vor. In einer anderen Weltregion treten sie aber häufiger auf und werden dadurch klinisch relevant.

«Noch gibt es für einige Weltregionen sehr viel weniger Erbgutsequenz-Daten als für Europa oder Nordamerika», erklärt die Bioinformatikerin Rosalba Lepore. «Dadurch übersehen wir womöglich eine Häufung solcher therapierelevanter Varianten in bestimmten Bevölkerungsgruppen.» Hier gebe es grossen Nachholbedarf.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Lukas Jeker, Universität Basel, Departement Biomedizin, E-Mail: lukas.jeker@unibas.ch
Dr. Rosalba Lepore, Universität Basel, Departement Biomedizin, E-Mail: rosalba.lepore@unibas.ch


Originalpublikation:

Romina Marone, Erblin Asllanaj, Giuseppina Capoferri, Torsten Schwede, Lukas T. Jeker, & Rosalba Lepore.
Single-amino acid variants in target epitopes can confer resistance to antibody-based therapies
Science Translational Medicine (2025), doi: 10.1126/scitranslmed.ady4877


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW