Membranproteine von Bakterien und Menschen zeigen überraschende Gemeinsamkeiten



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24.06.2021 12:56

Membranproteine von Bakterien und Menschen zeigen überraschende Gemeinsamkeiten

Forschungskooperation deckt Struktur und Funktion von PspA auf und vermutet evolutionäre Abstammung des Bakterienproteins von der ESCRT-Proteinfamilie

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG DES FORSCHUNGSZENTRUMS JÜLICH UND DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ

Die Zellen einfacher Organismen, wie Bakterien, sind ebenso wie menschliche Zellen von einer Zellmembran umgeben. Diese Membran übernimmt vielfältige Aufgaben, unter anderem schützt sie die Zelle vor Stress. Teams der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Forschungszentrums Jülich haben unter Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) nun in einem Kooperationsprojekt herausgefunden, dass ein Membranprotein, das in Bakterien vorkommt, eine ähnliche Struktur und Funktion aufweist wie Proteine, die beim Menschen für den Umbau oder Wiederaufbau der Zellmembran sorgen. Bisher war ein Zusammenhang zwischen den beiden Proteingruppen nicht bekannt. Die Forschungsarbeit wurde gerade in der renommierten Fachzeitschrift “Cell” veröffentlicht.

Wichtiger Akteur der bakteriellen Stressreaktion

Das Phagen-Schock-Protein-System, kurz als Psp-System bezeichnet, wurde vor etwa 30 Jahren in Bakterien entdeckt. Damals wurde es als eine Antwort von Escherichia coli-Bakterien auf eine Infektion mit speziellen Viren, sogenannten Bakteriophagen, angesehen. Später wurde klar, dass seine Funktion beim Schutz der Zellmembran über die spezifische Reaktion auf eine Bakteriophagen-Infektion hinausgeht. Auch osmotischer Stress, Hitze, Zellgifte oder Fehlstellen in der Membranhülle können eine Psp-System-Antwort auslösen.

“Wir wissen heute, dass das Psp-System bei vielen Arten von Membranstress aktiviert wird. Viele molekulare Details sind jedoch noch rätselhaft”, erklärt Prof. Dr. Dirk Schneider, Leiter der Arbeitsgruppe Membranbiochemie an der JGU. “Darum haben wir begonnen, uns Proteine des Psp-Systems genauer anzusehen.” Mit seinem Team hatte er vor Kurzem bereits aufgedeckt, wie der Psp-Vertreter IM30 einen Schutzschild teppichartig auf der Zellmembran ausbreitet, um damit Membranstress abzufedern.

In ihrer neuen Arbeit haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Hauptakteur des Psp-Systems, das Phagen-Schock-Protein A (PspA), genauer unter die Lupe genommen. Mithilfe der Kryoelektronenmikroskopie wurde sichtbar, wie PspA lange, spiralförmige Röhrchen bildet, die im innenliegenden Hohlraum eine Biomembran einschließen können. Die hochaufgelösten Bilder zeigen nun erstmals, wie PspA einzelne Membranen lokal auflöst und danach zu größeren Einheiten umgestaltet oder auch die Bildung neuer Membranstrukturen vermittelt.

“PspA-Bausteine können tausendfach aneinandergelegt werden und riesige spiralförmige Strukturen bilden. Sie sind daher ein ideales Untersuchungsobjekt für unsere kryoelektronenmikroskopische Strukturanalyse”, so Prof. Dr. Carsten Sachse vom Forschungszentrum Jülich und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Untersuchungen konnten zusammen mit Dr. Benedikt Junglas, ehemaliger Mainzer Doktorand von Prof. Dr. Dirk Schneider, in Jülich vorgenommen werden. Das Forschungszentrum Jülich betreibt am Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen einige der leistungsstärksten Elektronenmikroskope Europas, seit Kurzem auch Kryomikroskope für die Untersuchung von schockgefrorenen biologischen Proben.

PspA gestaltet Membranen um

Die Struktur eines Proteins ist außerordentlich wichtig für seine Funktion und ein Defekt in der Struktur kann die Funktion eines Proteins beeinträchtigen. “Unter dem Mikroskop wurde uns klar, dass PspA eine ähnliche Struktur besitzt wie ESCRT-III-Proteine, an denen unser Labor bereits gearbeitet hatte – für uns eine völlige Überraschung, die zeigt, wie wichtig es ist, Proteinstrukturen im Detail aufzuklären”, so Sachse. “Genetisch haben sich die beiden Proteingruppen nach Milliarden von Jahren so weit voneinander entfernt, dass die Gemeinsamkeiten nur noch anhand der 3-D-Struktur nachweisbar sind.”

ESCRT-III-Proteine kommen in allen Lebewesen mit einem echten Zellkern vor, also auch in menschlichen Zellen. Hier sind die ESCRT-III-Proteinkomplexe an dem Umbau und der Reparatur der Zellmembran beteiligt, spielen aber auch eine zentrale Rolle bei einer Reihe von weiteren Zellprozessen. Bei Bakterien kannte man bisher keine Proteine aus der ESCRT-III-Familie. “PspA gehört somit in die gleiche Gruppe von Proteinen wie ESCRT-III. Die beiden übernehmen an der Membran im Innern der Zellen ähnliche Aufgaben”, fasst Schneider zusammen.

“Aufgrund der ähnlichen strukturellen und funktionalen Eigenschaften von PspA und den eukaryotischen ESCRT-III-Proteinen haben wir PspA hier als ein bakterielles Mitglied der evolutionär konservierten ESCRT-III-Superfamilie von Membran-umgestaltenden Proteinen identifiziert”, schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrem Beitrag für die Zeitschrift <em>Cell</em>.

Bildmaterial:
http://download.uni-mainz.de/presse/09_chemie_biochemie_psp_system_01.jpg
Struktur von PspA: Das längliche Molekül ist der Grundbaustein einer spiralförmigen Nanoröhre (links). Die Kryo-EM-Graubildaufnahme und ein schematisches Modell zeigen, wie eine PspA-Röhre gerade Lipidmembranen „einsaugt“ (rechts).
Abb./©: Benedikt Junglas, Dirk Schneider und Carsten Sachse

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Spiralförmige Ringstruktur von PspA
Abb./©: Benedikt Junglas, Dirk Schneider und Carsten Sachse

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Strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Membranproteinen
Abb./© Benedikt Junglas, Dirk Schneider und Carsten Sachse

Weiterführende Links:
https://www.blogs.uni-mainz.de/fb09-schneider/ – Arbeitsgruppe Prof. Dr. Dirk Schneider an der JGU ;
https://www.bio.chemie.uni-mainz.de/ – Biochemie an der JGU ;
https://www.mpgc-mainz.de/ – Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ;
https://www.fz-juelich.de – Forschungszentrum Jülich ;
http://www.fz-juelich.de/er-c/er-c-3 – Ernst-Ruska Centrum 3 / Strukturbiologie

Lesen Sie mehr:
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/12377_DEU_HTML.php – Pressemitteilung “Teppich als Schutzschild: Membranprotein bewahrt Bakterien und Chloroplasten vor Stress” (22.10.2020) ;
https://fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2020/fachmeldungen/202… – Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich: “Kryo-Elektronenmikroskopie macht Struktur wichtiger membranverformender Proteine sichtbar” (19.08.2020) ;
https://www.uni-mainz.de/presse/65253.php – Pressemitteilung “Fusionsprotein dirigiert Aufbau der Photosynthese-Plattform” (08.05.2015)


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Dirk Schneider
Department Chemie – Biochemie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-25833
E-Mail: Dirk.schneider@uni-mainz.de
https://www.blogs.uni-mainz.de/fb09-schneider/prof-dirk-schneider/

Prof. Dr. Carsten Sachse
Ernst-Ruska Centrum 3 / Strukturbiologie
Forschungszentrum Jülich
Tel. +49 2461 61 2030
E-Mail: c.sachse@fz-juelich.de
http://sachse.fz-juelich.de


Originalpublikation:

B. Junglas et al., PspA adopts an ESCRT-III-like fold and remodels bacterial membranes
“Cell”, 23. Juni 2021,
DOI: 10.1016/j.cell.2021.05.042
https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(21)00697-8


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW