Afrikanische Schlafkrankheit: Wie der Erreger Tsetse-Fliegen besiedelt



Teilen: 

22.09.2022 13:49

Afrikanische Schlafkrankheit: Wie der Erreger Tsetse-Fliegen besiedelt

LMU-Forschende haben einen entscheidenden Signalmechanismus entschlüsselt, wie Trypanosomen die Speicheldrüsen der Fliegen erreichen.

In Afrika sind Tsetsefliegen weit verbreitet. Sie ernähren sich von menschlichem und von tierischem Blut. Dabei können Trypanosomen, sprich parasitische Einzeller, übertragen werden. Trypanosoma brucei löst beim Menschen die Schlafkrankheit aus. Erreger gelangen über den Speichel infizierter Tsetse-Fliegen in den Wirt: vom Blut weiter in das Gehirn, was unbehandelt zu tödlichen Symptomen führt.

Doch wie gelangen Trypanosomen nach der Blutmahlzeit der Tsetse-Fliegen in deren Speicheldrüsen? Auf diese Frage fanden Dr. Sabine Bachmaier und Professor Dr. Michael Boshart im Bereich Genetik der Fakultät für Biologie der LMU zusammen mit Kolleginnen und Kollegen eine überraschende Antwort. Sie zeigen, dass ein Signalapparat an der Spitze der Geißel der Einzeller über den Botenstoff cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP) die Migration von Trypanosomen in der Tsetse-Fliege kontrolliert. Die Entfernung einer Komponente des Enzymkomplexes, der das Signalmolekül cAMP produziert, reichte aus, um Infektionen der Fliegen zu unterbinden. Ergebnisse der Studie wurden jetzt in Nature Communications veröffentlicht.

Einblicke in das regulatorische Netzwerk
Zum Hintergrund: Rinder und Antilopen sind natürliche Reservoire von Trypanosoma brucei. Bei einer Blutmahlzeit gelangen Erreger in den Magen-Darm-Trakt von Tsetse-Fliegen. Um zu überleben und um sich weiter zu verbreiten, müssen sie sich an ihre wechselnde Umwelt anpassen. Trypanosomen pendeln zwischen dem Blutstrom, den Geweben eines Säugetierwirts und dem Verdauungstrakt sowie den Speicheldrüsen einer Tsetse-Fliege, wobei sie eine Reihe von Stadien durchlaufen.

„Unser Projekt basiert auf mehreren internationalen Kollaborationen mit Arbeitsgruppen in Paris, Antwerpen und Rio de Janeiro“, sagt Bachmaier. „Schon lange hat uns die Frage beschäftigt, wie es Parasiten gelingt, sich in der Tsetse-Fliege zu orientieren – und wie man dies unterbinden könnte, um die Übertragung der Krankheit zu kontrollieren.“
Die Arbeitsgruppe hatte vor rund zehn Jahren eine neue und Trypanosomen-spezifische Komponente des cAMP-Signalweges identifiziert, das Cyclic AMP Response Protein 3 (CARP3). „Unsere Entdeckung, dass CARP3 vor allem an der Spitze der Geißel von Trypanosomen zu finden ist, hat uns auf die Fährte geführt zu einem spezialisierten Signalapparat zur Orientierung der Parasiten in der Tsetse-Fliege“, so Bachmaier. Entfernten die Forschenden das CARP3-Gen mittels gentechnischer Methodik, veränderte sich auch die Zusammensetzung der Enzyme (Adenylatzyklasen), die cAMP an der Flagellenspitze produzieren. „Dann konnten Trypanosomen Tsetse-Fliegen nicht mehr effizient besiedeln“, erklärt die Wissenschaftlerin. „In den Speicheldrüsen fanden wir keine einzige Zelle der Parasiten mehr.“

Von der Grundlagenforschung zur Anwendung: Ziel einer langfristigen Strategie könnte sein, die Interaktionen zwischen CARP3 und Adenylylcyclasen zu beeinträchtigen, etwa durch ein synthetisches Peptid, das in den Fliegen „paratransgen“ produziert würde. Ohne Besiedlung der Speicheldrüse von Tsetsefliegen werden keine Trypanosomen mehr übertragen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Boshart
Biozentrum Martinsried
Phone: +49 (0)89 / 2180-74600
boshart@lmu.de
http://www.genetik.biologie.uni-muenchen.de/research/boshart/index.html


Originalpublikation:

Sabine Bachmaier, Giacomo Giacomelli, Estefanía Calvo-Alvarez, Larissa Rezende Vieira, Jan Van Den Abbeele, Aris Aristodemou, Esben Lorentzen, Matt K. Gould, Ana Brennand, Jean-William Dupuy, Ignasi Forné, Axel Imhof, Marc Bramkamp, Didier Salmon, Brice Rotureau & Michael Boshart: A multi-adenylate cyclase regulator at the flagellar tip controls African trypanosome transmission. Nature Communications, online: https://www.nature.com/articles/s41467-022-33108-z


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW