Video: Was ist Bewusstsein?
Mitte der 1990er Jahre haben die Forscher Stanislas Dehaene und Jean-Pierre Changeux einen theoretischen und experimentellen Ansatz zum Verständnis der biologischen Prozesse des Zugangs zum menschlichen Bewusstsein entwickelt. Ihre auf dem Gebiet der Neurowissenschaften bahnbrechenden Arbeiten ermöglichten es ihnen, die neuronale Aktivität der bewussten Informationsverarbeitung objektiv zu messen.
Versuchsmodell zur Bewusstseinsbildung.
Zur Messung der neuronalen Aktivität bei der Bewusstseinsbildung haben die Forscher ein Versuchsmodell entwickelt, das auf einer einfachen Idee basiert: Der Vergleich der Hirnaktivität bei der bewussten und der unbewussten Informationsverarbeitung. Einem Patienten wurden während einer schnellen Abfolge von Bildern geschriebene Wörter gezeigt. Durch die Variation der Bedingungen der Bilder-Präsentation ist die Versuchsperson in der Lage, oder auch nicht, das geschriebene Wort wiederzugeben. Konnte sie sich erinnern, so ist dies auf eine bewusste Verarbeitung zurückzuführen. Konnte sie es nicht, wurde das Wort nicht bewusst wahrgenommen. Die Forscher konnten aufzeigen, dass das Wort dennoch vom Gehirn verarbeitet wurde, wenn auch nur in unterschwelliger bzw. unbewusster Form. Bei jeder neuen Versuchsanordnung wurde die neuronale Aktivität in unterschiedlichen Hirnregionen des Patienten mit Hilfe verschiedener Verfahren gemessen. So war es möglich, die neuronalen Aktivitäten bei der bewussten und der unbewussten Verarbeitung des gleichen Reizes objektiv zu vergleichen. Durch die Fortsetzung dieser Arbeiten mit neuen Methoden zur Erfassung der Gehirnaktivität war es möglich, die Abfolge der Abläufe im Gehirn während der Bewusstseinsbildung zu erfassen. Die ersten Hirnareale, die sowohl bei der bewussten als auch bei der unbewussten Informationsverarbeitung aktiviert werden, sind der visuelle Kortex und insbesondere die Areale, die bei der Erkennung geschriebener Wörter beansprucht werden. Bei der bewussten Verarbeitung (200 – 400 Millisekunden nach der Präsentation des Wortes) wird ein großes Hirnareal – darunter der präfrontale Kortex – von einer enormen elektrischen Welle überflutet. Nach Angaben der Forscher synchronisiert sich dieses Areal während der Bewusstseinsbildung durch Neuronen, die über lange Axone eng miteinander verbunden sind.
Zugang zum Bewusstsein.
Laut Stanislas Dehaene und Jean-Pierre Changeux bietet dieser letzte Schritt den Zugang zum Bewusstsein. Sie sind davon überzeugt, dass diese Anregung des präfrontalen Netzwerks und die Synchronisierung der Neuronen in diesen Arealen nur ausgelöst werden können, wenn ein Mindestmaß an Aktivität in den vorangegangenen Schritten erreicht wurde.
Bewusstsein wäre demzufolge die Bereitstellung von Informationen in einem “neuronalen Arbeitsbereich”, der es dem Signal ermöglicht, in das Langzeitgedächtnis überzugehen.
Diese Theorien von Jean-Pierre Changeux und Stanislas Dehaene ermöglichen die Interpretation verschiedener klinischer Zustände, bei denen der Zugang zum Bewusstsein verändert oder verhindert wurde, wie zum Beispiel bei einer Vollnarkose, durch Koma oder psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie. (Quelle: Pressemitteilung der CEA – 31/05/2010 via idw)
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Synthetisches Bewusstsein: Wie Bewusstsein funktioniert und Roboter damit ausgestattet werden können