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04.11.2024 15:38
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Betazellen: Neue Erkenntnisse zu Struktur, Interaktionen und neuronale Vernetzung der primären Zilien
Funktionsstörungen der winzigen Zellfortsätze (primäre Zilien*) der Betazellen der Bauchspeicheldrüse könnten eine Ursache für die Entstehung von Typ-2-Diabetes sein. Über Aufbau und Arbeitsweise dieser Zilien ist bisher nur wenig bekannt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von DZD-Forschenden des Paul-Langerhans-Instituts Dresden (PLID) am Helmholtz Munich der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden hat verschiedene neue bildgebende Verfahren genutzt, um die primären Zilien in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen.
Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse sind für die Freisetzung des Hormons Insulin verantwortlich, das für die Aufnahme von Glukose aus dem Blutkreislauf unerlässlich ist. Verschiedene Faktoren können die Fähigkeit dieser Zellen beeinträchtigen, Insulin zu produzieren. Das kann zur Entstehung von Typ-2-Diabetes (T2D) führen. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass auch Funktionsstörungen der primären Zilien der Betazellen eine Ursache für T2D sein können.
Die meisten Zellen in unserem Körper haben unbewegliche primäre Zilien. Diese kleinen Fortsätze werden stabilisiert durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen, den Mikrotubuli. Die Zilien helfen den Zellen, Signale von außen zu empfangen und weiterzuleiten. Wie die primären Zilien von Betazellen aufgebaut sind und welche Funktion sie haben, untersuchte ein internationales Team des PLID, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Human Technopole in Italien, des Janelia Research Campus und der Yale University in den USA. Unter Leitung von Dr. Andreas Müller, Wissenschaftler in der Abteilung Molekulare Diabetologie am PLID (Direktor: Prof. Michele Solimena) und Erstautor der Studie, wurden bildgebende Verfahren wie Volumenelektronenmikroskopie (vEM), 3D-Segmentierung und ultrastrukturelle Expansionsmikroskopie (U-ExM) genutzt, um die dreidimensionale Form der primären Zilien von Betazellen in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen.
Besonderer Aufbau der skelettartigen Struktur
Die in dieser Studie beobachteten primären Zilien stammten sowohl von tierischen als auch von menschlichen Betazellen. Die Forschenden untersuchten, wie die aus Mikrotubuli gebildete skelettartige Struktur (Axonem) organisiert ist. Dabei entdeckten sie strukturelle Merkmale stabilisierender Zilien mit Mikrotubuli, die in unterschiedlichen Abständen innerhalb der Zilie endeten. Das konnte zum ersten Mal in Zilien von Betazellen gezeigt werden.
Rolle bei der Signalübertragung zwischen Betazellen und anderen Inselzellen
Die Forschenden überprüften auch, wie die Zilien mit Nachbarzellen interagieren, um daraus Rückschlüsse über ihre Signalfunktionen zu ziehen. Sie fanden heraus, dass sich die primären Zilien eng mit umliegenden Zellen und deren Zilien austauschen und eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung und Vernetzung der Betazellen mit anderen Inselzellen spielen. Sie bilden Synapsen-ähnliche Strukturen, die benachbarte Zellen einklemmen.
Interaktionen mit Zellen des Nervengewebes
Weitere Analysen der Bilddaten deuteten darauf hin, dass die primären Zilien der Betazellen auch mit Zellen des Nervengewebes interagieren. Das könnte auf eine Rolle bei der neuronalen Signalübertragung hinweisen.
„Die strukturellen Daten dieser Studie zeigen die Bedeutung der primären Zilien der Betazellen als wichtige Verbindungsstellen für die Inselzellfunktion“, fasst Müller die Ergebnisse zusammen.
Um besser zu verstehen, wie die primären Zilien an der T2D-Pathogenese beteiligt sind, wollen die Forschenden die Mechanismen und Wege weiter untersuchen. Diese Forschung wird vom DZD Young Talent Program unterstützt.
*Primäre Zilien
Primäre Zilien sind kleine, sensorische Strukturen, die in vielen Zelltypen vorkommen. Sie fungieren wie kleine Antennen, die Signale aus der Umgebung wahrnehmen und ins Zellinnere weiterleiten. Diese kleinen Fortsätze werden durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen stabilisiert, den Mikrotubuli. In den Betazellen der Bauchspeicheldrüse spielen primäre Zilien eine Rolle bei der Kommunikation zwischen den Zellen und sind mit Diabetes verbunden.
Originalpublikation:
Andreas Müller… Michele Solimena. Structure, interaction, and nervous connectivity of beta cell primary cilia. Nat Commun 15, 9168 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-53348-5
Weitere Informationen:
https://tu-dresden.de/med/mf/plid/das-institut/news/gute-zuhoerer-primaere-zilie…
Bilder
Betazelle mit Zilien
Andreas Müller
Andreas Müller / PLID
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch