29.06.2020 12:54
Freistil – Die Kombination von Schwimmarten erleichtert Bakterien die Fortbewegung
Eine der größten Herausforderungen für schwimmende Bakterien besteht darin, zielgerichtet zu navigieren, um Nahrung zu finden oder vor Giftstoffen zu fliehen. Dieser als Chemotaxis bezeichnete Prozess beschreibt die Fähigkeit von Organismen, sich als Reaktion auf Konzentrationsunterschiede in chemischen Substanzen gerichtet zu bewegen. Die Arbeitsgruppe Biologische Physik an der Universität Potsdam hat unter Leitung von Professor Carsten Beta neuartige Navigationsstrategien von Bakterien erforscht.
Insbesondere konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, wie Bakterien unterschiedliche Schwimmmodi nutzen, um sich in ihrem komplexen natürlichen Lebensraum effizient fortzubewegen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.
Zu ergründen, wie Bakterien sich bewegen und navigieren, bildet den Schlüssel zum Verständnis vieler wichtiger Phänomene wie beispielsweise die Verbreitung von Infektionskrankheiten. Schwimmende Bakterien bewegen sich mithilfe rotierender Geißeln, der sogenannten Flagellen, aktiv vorwärts. Wenn die Flagellen zufällig in unterschiedliche Richtungen rotieren, kommt es zu Taumelereignissen. Von Kolibakterien, den Escherichia coli, ist bekannt, dass die Mikroorganismen zu einer Futterquelle navigieren können, indem sie die Häufigkeit des Taumelns regulieren.
Im Unterschied zu den E. coli nutzen andere Bakterien mehrere Fortbewegungsarten, abhängig von der Anordnung ihrer Flagellen. Das haben Potsdamer Forschende innerhalb des Graduiertenkollegs „Kollektive Dynamik im Nichgleichgewicht in kondensierter Materie und biologischen Systemen“ und des Sonderforschungsbereichs „Data Assimilation“ beobachtet. Die Physikerin Zahra Alirezaeizanjani und ihre Kollegen befassten sich mit der Frage, welche Rolle diese Fortbewegungsarten für die Dynamik der Futtersuche von Bakterien spielen. Als Modellorganismus verwendeten sie das Bodenbakterium Pseudomonas putida. Sie entwarfen und konstruierten ein spezielles Mikroskopieverfahren, um abwechselnd Sequenzen von Phasenkontrast und Fluoreszenzbildern von Bakterien aufnehmen zu können. Bei ihren Experimenten fanden sie Hinweise dafür, dass es sich bei diesen Fortbewegungsarten um verschiedene Verhaltenszustände handelt, die sich nicht nur in ihren Bewegungsmerkmalen, wie beispielsweise der Geschwindigkeit, sondern auch in ihrer Reaktion auf das Konzentrationsgefälle in den Substanzen unterscheiden.
Diese Forschungsergebnisse werfen ein neues Licht darauf, wie Bakterien zielgerichtet navigieren – ein erster Schritt, um komplexere Chemotaxis-Strategien schwimmender Bakterien jenseits des bekannten Beispiels der E. coli zu verstehen. Gleichzeitig öffnen sie die Tür für zukünftige experimentelle Studien, die sich zunehmend auf die Bewegung und Chemotaxis in komplexen Umgebungen konzentrieren werden. Darüber hinaus lassen sich die Erkenntnisse über die Suchstrategien für das Design von künstlichen Mikroschwimmern oder von autonomen Robotern nutzen.
Link zur Publikation: Z. Alirezaeizanjani, R. Großmann, V. Pfeifer, M. Hintsche, C. Beta: “Chemotaxis strategies of bacteria with multiple run modes.” Sci. Adv. 6 eaaz6153 (2020).
https://doi.org/10.1126/sciadv.aaz6153
Abbildung: Schematische Darstellung eines Bakteriums mit Flagellen, das sich auf zwei verschiedene Arten (push bzw. wrap) in Richtung eines Lockstoffes bewegt. Abbildung: Dr. Robert Großmann.
Kontakt: Prof. Dr. Carsten Beta, Institut für Physik und Astronomie,
Tel.: 0331 977-5651, E-Mail: biophys@unipotsdam.de
Dr. Robert Großmann, Institut für Physik und Astronomie, Tel.: 0331 977-5722
Zahra Alirezaeizanjani, Institut für Physik und Astronomie, Tel.: 0331 977-5722
Medieninformation 29-06-2020 / Nr. 068
Dr. Stefanie Mikulla
Universität Potsdam
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Originalpublikation:
Link zur Publikation: Z. Alirezaeizanjani, R. Großmann, V. Pfeifer, M. Hintsche, C. Beta: “Chemotaxis strategies of bacteria with multiple run modes.” Sci. Adv. 6 eaaz6153 (2020).
https://doi.org/10.1126/sciadv.aaz6153
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Physik / Astronomie
überregional
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