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12.11.2024 09:17
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Glioblastom: Neuer Therapieansatz greift Hirntumor mehrfach an
Glioblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumore bei Erwachsenen. Therapien, die den aggressiven Tumor dauerhaft zum Verschwinden bringen, gibt es bisher nicht: Zu vielfältig sind die Tumorzellen, zu tumorfreundlich seine Mikroumgebung. Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel haben nun eine Immuntherapie entwickelt, die nicht nur den Tumor angreift, sondern auch sein Mikroumfeld gegen ihn richtet.
CAR-T-Zellen bringen seit einigen Jahren neuen Schwung in die Immuntherapien gegen Krebs. Das Prinzip: Fachleute nehmen T-Zellen der Patientin oder des Patienten und programmieren sie im Labor so um, dass sie mithilfe eines Rezeptors (chimeric antigen receptor oder CAR) Strukturen auf den Krebszellen erkennen können. Zurück im Körper machen sie dann Jagd auf die Krebszellen und merzen sie aus. Bei verschiedenen Leukämien ist dieser Ansatz bereits sehr erfolgreich.
Bei festen Tumoren im Allgemeinen und bei Hirntumoren im Besonderen gibt es jedoch einige Hürden, die dem Erfolg von CAR-T-Zellen im Wege stehen: Erstens können die Krebszellen-Jäger nicht gut in den Tumor eindringen. Zweitens weisen nicht unbedingt alle Krebszellen des Geschwürs die Struktur auf, die von den T-Zellen erkannt und angegriffen wird. Und drittens haben feste Tumore im Gewebe ein Mikroumfeld, das Immunangriffe abwehrt. «Insbesondere im Gehirn, wo T-Zellen normalerweise nicht vorkommen, ist die Umgebung recht T-Zell-feindlich», erklärt Prof. Dr. Gregor Hutter von der Universität Basel und dem Universitätsspital Basel.
Hartnäckige Tumore
Mit seinem Team sucht Hutter nach Möglichkeiten, Glioblastome zu bekämpfen. Diese Hirntumore sind leider hartnäckig: Nach Operation und Therapie kommen sie meist zurück. Die durch die Operation gewonnene Zeit liesse sich jedoch nutzen, um patienteneigene T-Zellen im Labor zu CAR-T-Zellen umzuprogrammieren. Werden diese direkt in den neu wachsenden Tumor injiziert, überwindet man die Hürde, dass die CAR-T-Zellen nicht gut in das Geschwür eindringen können. Dort greifen diese therapeutischen Zellen alle Krebszellen an, die die Erkennungsstruktur tragen.
Von tumorfreundlich zu tumorfeindlich
Die von Hutters Team entwickelten CAR-T-Zellen haben ausserdem noch ein gewisses Extra, das auf die Veränderung des Mikroumfelds abzielt. Dafür geben die Forschenden den therapeutischen T-Zellen auch den Bauplan für ein Molekül mit. Mit diesem lassen sich die Signale blockieren, mit denen der Tumor Immunzellen in seiner Umgebung für seine eigenen Zwecke einspannt. Denn mit diesen Signalen macht der Tumor die Immunzellen, genauer gesagt Mikroglia und Makrophagen, zu Verrätern am eigenen Körper: Statt den Krebs anzugreifen, verhindern sie, dass das Immunsystem ihn angreift.
Verräter werden wieder zu Verteidigern
Wenn das eingeschleuste Molekül die Tumorsignale jedoch unterbindet, können Makrophagen und Mikroglia die CAR-T-Zellen bei ihrem Angriff auf das Glioblastom unterstützen. Auch auf jene Krebszellen, die das spezifische Erkennungsmerkmal gar nicht tragen.
Bei Versuchen mit Mäusen, denen die Forschenden menschliche Glioblastomzellen eingesetzt hatten, erwies sich die neue Therapie bereits als sehr erfolgreich: Die CAR-T-Zellen brachten sämtliche Krebszellen zum Verschwinden. Parallel testete das Forschungsteam den Ansatz auch gegen Lymphome, also Krebsgeschwüre des Lymphsystems. Auch hier erwies sich die Therapie als vielversprechend.
Bald starten klinische Studien
Im nächsten Schritt wollen Hutter und sein Team die Therapie in einer ersten klinischen Studie Patientinnen und Patienten anbieten, um die Wirksamkeit und Sicherheit zu überprüfen. «Da wir die Therapie lokal injizieren und nicht über die Blutbahn verabreichen, sollten sich die Nebenwirkungen auf den restlichen Körper in Grenzen halten», so Gregor Hutter. Mögliche Nebenwirkungen auf das Nervensystem – wie sie von anderen CAR-T-Zelltherapien schon bekannt sind – und wie gut sich diese im Zaum halten lassen, könne jedoch erst im Rahmen von Studien evaluiert werden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gregor Hutter, Universität Basel, Universitätsspital Basel, E-Mail:
g.hutter@unibas.ch
Originalpublikation:
Tomás A. Martins et al.
Enhancing anti-1 EGFRvIII CAR T cell therapy against glioblastoma with a paracrine SIRPγ-derived CD47 blocker.
Nature Communications (2024), doi: 10.1038/s41467-024-54129-w
Bilder
Mikroskopische Aufnahme von Gewebequerschnitten eines Mausgehirns mit Glioblastom. Tumorzellen in Tü …
Tomás A. Martins
Universität Basel, Tomás A. Martins
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch