Immuntherapie gegen Krebs: So tun therapeutische Antikörper ihre Arbeit



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10.01.2025 08:08

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Immuntherapie gegen Krebs: So tun therapeutische Antikörper ihre Arbeit

Neuer Blick auf Krebszellen: Dank einer innovativen Methode der superauflösenden Mikroskopie hat ein Forschungsteam der Universität Würzburg erstmals mit molekularer Auflösung in 3D beobachtet, wie therapeutische Antikörper B-Zellen angreifen, verändern und dadurch deren Zerstörung einleiten. Das Journal „Science“ stellt die neue Art der molekularen 3D-Visualisierung von Antikörper-Zell-Interaktionen vor. Die Visualisierung der molekularen Wechselwirkung zwischen Antikörper und Tumorzelle eröffnet neue Wege zu verbesserten Immuntherapien gegen Krebs.

Bei Blutkrebserkrankungen wie der chronischen lymphatischen Leukämie sind es B-Zellen des Immunsystems, die sich unkontrolliert vermehren. Eine Therapieform besteht darin, das Protein CD20 auf der Oberfläche der B-Zellen mit maßgeschneiderten Antikörpern zu markieren. Das löst eine Kette immunologischer Reaktionen aus und führt am Ende zur Zerstörung der Krebszellen.

Solche immuntherapeutischen Antikörper werden seit 30 Jahren gegen Tumorerkrankungen eingesetzt. „Obwohl es für den Therapieerfolg von entscheidender Bedeutung ist, wissen wir bis heute nur sehr wenige Details darüber, wie die Antikörper an CD20 binden und wie die folgenden Reaktionen ablaufen“, sagt Professor Markus Sauer vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

Der Effektivität der Antikörper auf der Spur

Das dürfte sich nun ändern: Ein Team um den JMU-Biophysiker hat eine neue superauflösende mikroskopische Methode entwickelt. Sie macht es erstmals möglich, die Wechselwirkungen der therapeutischen Antikörper mit Zielmolekülen auf Tumorzellen in 3D mit molekularer Auflösung zu untersuchen.

„Wir können nun beobachten, wie effektiv die Antikörper arbeiten und damit zur Entwicklung verbesserter Therapien beitragen“, so Markus Sauer.

Die neue mikroskopische Methode heißt LLS-TDI-DNA-PAINT. Im Wissenschaftsjournal Science beschreiben Erstautor Dr. Arindam Ghosh und ein Team aus dem Lehrstuhl von Markus Sauer, wie die neu entwickelte Technologie funktioniert und welche Erkenntnisse damit bereits gewonnen wurden. An der Studie waren auch Dr. Thomas Nerreter und Professor Martin Kortüm von der Medizinischen Klinik II des Würzburger Universitätsklinikums beteiligt.

B-Zellen nehmen die Gestalt eines Igels an

Das Würzburger Forschungsteam hat die ersten Studien mit der neuen Mikroskopie-Methode an fixierten und lebenden Raji-B-Zellen durchgeführt. Diese Zelllinie stammt aus dem Burkitt-Lymphom eines Patienten und wird in der Krebsforschung oft eingesetzt. Die Forscher brachten sie mit jeweils einem der vier therapeutischen Antikörper RTX, OFA, OBZ und 2H7 in Kontakt.

Alle vier Antikörper verketten die CD20-Moleküle in der Zellmembran, so dass lokal starke Anhäufungen entstehen. Das aktiviert das sogenannte Komplementsystem und leitet das Abtöten der Zellen durch das Immunsystem ein. Im Gegensatz zur derzeitigen Klassifizierung therapeutischer Antikörper zeigen die Ergebnisse, dass die Verkettung der CD20-Moleküle unabhängig davon eintritt, ob die Antikörper dem Typ I oder II angehören.

Die Experimente zeigen auch, dass alle vier Antikörper verstärkt CD20-Moleküle verketten, die sich an speziellen Orten der Membran befinden – und zwar auf mikrometerlangen Ausstülpungen der Membran, „Mikrovilli“ genannt. Gleichzeitig polarisiert das Binden der therapeutischen Antikörper die B-Zelle und die ausgestreckten Mikrovilli werden stabilisiert. Dadurch nehmen die B-Zellen eine Art Igelgestalt an, weil sich die Membranausstülpungen nur auf einer Seite der Zelle befinden.

Was als nächstes passiert

Was sich daraus ergibt? „Die bisherige Klassifizierung der therapeutischen Antikörper in die Typen I und II kann nicht weiter aufrechterhalten werden“, sagt Dr. Arindam Ghosh. Bislang ging die Forschung davon aus, dass therapeutische Antikörper vom Typ I einen anderen Wirkungsmechanismus haben als die vom Typ II. Die Würzburger Studien aber widerlegen das.

„Durch die Igelgestalt erscheinen die B-Zellen, als ob sie eine immunologische Synapse mit einer anderen Zelle bilden wollten“, so der JMU-Forscher. Es sei vorstellbar, dass die behandelten B-Zellen auf diese Weise die Makrophagen und natürlichen Killerzellen des Immunsystems aktivieren. Ob diese Vermutung stimmt, will das Forschungsteam nun in weiteren Studien klären.

Diese Arbeiten wurden gefördert vom European Research Council, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Markus Sauer, Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik, Biozentrum der Universität Würzburg, und Rudolf Virchow Center, Research Center for Integrative and Translational Bioimaging, Universität Würzburg, markus.sauer@uni-wuerzburg.de


Originalpublikation:

Decoding the molecular interplay of CD20 and therapeutic antibodies with fast volumetric nanoscopy. Ghosh et al., Science 387, eadq4510 (9. Januar 2025), DOI: 10.1126/science.adq4510, https://doi.org/10.1126/science.adq4510


Bilder

Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT.

Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT.
Arindam Ghosh
Universität Würzburg


Anhang

attachment icon 30 Minuten, nachdem eine Raji-B-Zelle mit farbstoffmarkiertem Antikörper OFA in Kontakt kam: Das gelbe Signal zeigt, wie Ausstülpungen der Zellmembran entstehen. Magenta das Signal des Antikörpers.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW