80 Prozent der Haut ersetzt



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10.01.2022 09:22

80 Prozent der Haut ersetzt

Der Fall gilt weltweit als einzigartig: 2015 hatte ein deutsch-italienisches Team einem damals siebenjährigen Jungen 80 Prozent seiner Haut mit seinen genmodifizierten Stammzellen ersetzt. Er litt unter der lebensbedrohlichen Schmetterlingskrankheit Epidermolysis bullosa. Betroffene haben extrem dünne Haut, die selbst bei minimalen äußerlichen Einflüssen Blasen schlägt, reißt und sich auflöst. Rund fünf Jahre später ist die Haut stabil und hat die gleichen sensorischen Qualitäten wie gesunde Haut.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Behandelnden aus dem Center for Regenerative Medicine an der Universität von Módena (Italien) und dem Brandverletzten-Zentrum der Ruhr-Universität Bochum (RUB) berichten in der Zeitschrift New England Journal of Medicine vom 9. Dezember 2021.

Die Haut ist stabil, das Immunsystem intakt

Nachdem alle konservativen und chirurgischen Therapieversuche seinerzeit erfolglos geblieben waren, gelang es dem internationalen Team, dem kleinen Patienten Haut zu entnehmen, gentechnisch aufzuarbeiten und anschließend auf die Wundflächen zu transplantieren. Nie zuvor war dieses Verfahren auf einer so großen Hautfläche angewandt worden (https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2017-11-08-weltweit-einziga…).

Nun berichtet das Ärzteteam über das langfristige Ergebnis. Auch fünf Jahre nach der Operation ist der Zustand der transplantierten Haut weiterhin robust und stabil. Der Junge hat sich gut erholt und kann an altersgerechten sozialen Aktivitäten teilnehmen. Neue Blasen haben sich auf der transplantierten Haut nicht gebildet, das Immunsystem ist intakt.

Ein gesunder Junge

Dr. Tobias Rothoeft, Oberarzt an der zum Katholischen Klinikum Bochum gehörenden Universitäts-Kinderklinik Bochum und Spezialist für thermische Verletzungen, hatte den Jungen schon damals über Monate hinweg auf der Intensivstation betreut und ist noch heute mit der Familie im persönlichen Kontakt. „Wir sind sehr froh, dass es ihm weiterhin gut geht, die transplantierte Haut stabil ist und er in diesen Arealen wirklich keine Probleme hat“, sagt er. „Mittlerweile konnten wir auch zeigen, dass die aus genetisch veränderten Stammzellen entstandene Haut die gleichen sensorischen Qualitäten hat wie normale, gesunde Haut. In den transplantierten Bereichen ist der Junge also als gesund zu betrachten.“ Prof. Dr. Thomas Lücke, Direktor der Bochumer Universitätskinderklinik, spricht von einer „großartigen interdisziplinären Leistung zum Wohle unseres kleinen Patienten“.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch das Programma Operativo Regionale Fondo Europeo di Sviluppo Regionale (POR FESR) 2014–2020 — Regione Emilia-Romagna (E8IJ10000120007 and E92I16000220005) sowie das Italienische Forschungsministerium (CTN01_E48C13000140008), einen Lombardia è Ricerca Award, DEBRA Alto Adige und einen Advanced Grant des European Research Council (101019289, Michele De Luca).

Pressekontakt

Dr. Jürgen Frech
Unternehmenskommunikation
Katholisches Klinikum Bochum
Tel.: +49 234 509 6104
E-Mail: juergen.frech@klinikum-bochum.de


Originalpublikation:

Maximilian Kückelhaus, Tobias Rothoeft, Laura De Rosa, Michele De Luca et al.: Transgenic epidermal cultures for junctional epidermolysis bullosa – 5-year outcomes, in: New England Journal of Medicine, 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2108544, https://www.nejm.org/doi/10.1056/nejmoa2108544


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW