Arbeitskolleg*innen können Einfluss auf eine gesunde Ernährung nehmen



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16.11.2022 14:11

Arbeitskolleg*innen können Einfluss auf eine gesunde Ernährung nehmen

Das Arbeitsumfeld kann Arbeitnehmer*innen zu einem gesünderen Lebensstil in Bezug auf den Verzehr von gesunden Lebensmitteln wie Obst und Gemüse ermutigen, veranlasst sie aber nicht zu mehr Bewegung / Veröffentlichung in „BMC Public Health“

Wissenschaftlerinnen aus Köln und Utrecht haben herausgefunden, dass Beschäftigte mit größerer Wahrscheinlichkeit Obst und Gemüse essen und sich körperlich betätigen, wenn ihre Kolleg*innen sie zu einem gesunden Lebensstil ermutigen. Außerdem steht das gesunde Essverhalten der Mitarbeitenden in einem positiven Zusammenhang mit dem Obst- und Gemüsekonsum ihrer Kolleg*innen. Wenn jedoch ein Kollege viel Sport treibt, veranlasst dies die anderen nicht, es ihm gleichzutun. Was die körperliche Betätigung betrifft, so hat die ausdrückliche Ermutigung zwar einen positiven Effekt, aber die Mitarbeitenden neigen nicht dazu, ihr Verhalten an dem anderer, körperlich aktiverer Kolleg*innen zu orientieren. Die Wissenschaftlerinnen kommen zu dem Schluss, dass die Ermutigung durch den Kollegenkreis und das eigene gesunde Verhalten insgesamt dazu beitragen können, eine Gesundheitskultur am Arbeitsplatz zu schaffen und alle Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, gesunde Entscheidungen zu treffen. Die Studie wurde von Professorin Dr. Lea Ellwardt vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Universität zu Köln und Anne van der Put von der Abteilung für Soziologie der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Universität Utrecht durchgeführt. Ihr Artikel „Employees’ healthy eating and physical activity: the role of colleague encouragement and behavior“ wurde in der Fachzeitschrift BMC Public Health veröffentlicht.
Sportliche Betätigung und gesunde Ernährung sind nicht nur individuelle Entscheidungen, sondern werden auch von Familienmitgliedern sowie in Freundes- und Nachbarschaftskreisen beeinflusst. Über die Rolle von Arbeitskolleg*innen, die einen weiteren wichtigen zwischenmenschlichen Einfluss darstellen, ist jedoch wenig bekannt. Die Menschen verbringen viele Stunden am Arbeitsplatz und sind dabei meist von denselben Kolleg*innen umgeben, die daher einen erheblichen Einfluss auf die (un)gesunden Entscheidungen der Arbeitnehmer*innen haben könnten. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten, inwieweit Kollegen eine Rolle für das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der anderen spielen können, indem sie sich auf zwei Wege konzentrierten: Kolleg*innen können einen gesunden Lebensstil fördern oder als Vorbilder fungieren, deren Verhalten beobachtet und kopiert wird.
Das Team nutzte die European Sustainable Workforce Survey, die Daten von 4345 Beschäftigten in 402 Teams in 113 Unternehmen enthält. „Unsere Studie hat gezeigt, dass Mitarbeiter eher bereit sind, Obst und Gemüse zu essen und sich körperlich zu betätigen, wenn ihre Kollegen einen gesunden Lebensstil fördern“, so Ellwardt. Entgegen ihren Erwartungen stellten sie und van der Put jedoch eine negative Korrelation zwischen der körperlichen Aktivität von Mitarbeitenden und Kolleg*innen fest, wenn keine ausdrückliche Ermutigung stattfand. „Eine Erklärung für unser negatives Ergebnis könnte sein, dass körperliche Aktivität typischerweise außerhalb der Arbeitszeit stattfindet, wo sie für die Kollegen kaum sichtbar ist“, so Ellwardt. Menschen essen am Arbeitsplatz oft gemeinsam, während körperliche Aktivität privat stattfindet und der soziale Einfluss daher geringer ist.
Die Studie berücksichtigt sowohl die Ermutigung durch die Kolleg*innen als auch deren tatsächliches Verhalten, wobei sie sich mit der verhaltensspezifischen Ermutigung und nicht mit allgemeiner sozialer Unterstützung und mit Verhaltensweisen, außerhalb des Arbeitsplatzes befasst. Ellwardt erklärt: „Die Studie ist eine der ersten, die sich mit der Rolle des Verhaltens von Kollegen befasst und dabei einen Netzwerkansatz verfolgt, der auch direkte Kollegen einbezieht. Dies ermöglichte der Forscherin zufolge eine feinkörnigere Analyse als die Aggregation von Maßnahmen auf individueller Ebene oder die Einbeziehung von Mitarbeitenden, die nicht in unmittelbarer Nähe arbeiten.
Insgesamt hätten die Ermutigung der Kolleg*innen und ihr eigenes gesundes Verhalten das Potenzial, zur Schaffung einer Gesundheitskultur am Arbeitsplatz beizutragen und alle Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, gesunde Entscheidungen zu treffen. Nach Ansicht der Autorinnen ist dies ein vielversprechender Ansatz für Führungskräfte und Entscheidungsträger im Bereich der öffentlichen Gesundheit. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass es bei der Konzeption von Gesundheitsmaßnahmen wichtig ist, neben anderen sozialen Einflüssen wie dem des Partners oder der Partnerin, Familienmitgliedern und Freunden auch das Arbeitsumfeld einzubeziehen. In Bezug auf gesundes Verhalten sind Kollegen wichtige Quellen sozialer Unterstützung und können als Vorbilder dienen“, resümiert Ellwardt. Entscheidend sei, dass die Ermutigung und das Verhalten der Kolleg*innen nicht nur zur Schaffung einer Gesundheitskultur am Arbeitsplatz beitragen, sondern auch indirekt die gesamte Belegschaft unterstützen – auch diejenigen, die keine speziellen Gesundheitsprogramme am Arbeitsplatz nutzen.
Künftige Forschungsarbeiten würden von der Verwendung von Längsschnittdaten profitieren, um Einflussprozesse im Zeitverlauf zu untersuchen, meinen die Autorinnen. Da Individuen Hinweise aus ihrer Umgebung verinnerlichen, um ihre intrinsische Motivation zu formen, könnte diese Forschung zeigen, wie lange es dauert, bis sich ein neuer Mitarbeiter an die aktuelle Gesundheitsnorm am Arbeitsplatz anpasst.
Inhaltlicher Kontakt:
Anne van der Put
Department of Sociology, Faculty of Social and Behavioural Sciences,
Utrecht University
a.c.vanderput@uu.nl

Professor Dr. Lea Ellwardt
Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS)
+49 221 470 89165
ellwardt@wiso.uni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Robert Hahn
+49 221 470 2396
r.hahn@verw.uni-koeln.de

Link zur Veröffentlichung:
https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-022-14394-0

Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW