Astrophysiker beobachten erstmals direkt die Interaktion zwischen jungem Stern und Mutterscheibe

Astrophysiker beobachten erstmals direkt die Interaktion zwischen jungem Stern und Mutterscheibe



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28.08.2020 14:06

Astrophysiker beobachten erstmals direkt die Interaktion zwischen jungem Stern und Mutterscheibe

Nature-Veröffentlichung / Geburt eines Sterns mitverfolgt, der in der Astrophysik als Modell für unsere Sonne vor fünf Milliarden Jahren gilt

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des I. Physikalischen Instituts der Universität zu Köln hat zum ersten Mal beobachtet, wie Materiewolken, aus denen neugeborene Sterne entstehen, mit einem jungen Stern interagieren, sodass er an Masse gewinnt. Das Sternensystem „TW Hydrae“ liegt etwa 163 Lichtjahre von der Erde entfernt und wurde mithilfe des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) und seinem Instrument GRAVITY aus der chilenischen Wüste anvisiert. Die Ergebnisse sind unter dem Titel „A measure of the size of the magnetospheric accretion region in TW Hydrae“ in Nature erschienen.
Bei der Entstehung von Sternen in der Galaxie wird die in den Molekülwolken vorhandene Urmaterie aus Gas und Staub über die Schwerkraft rasch zu einem „Protostern“ aggregiert. Dieser „Akkretion“ genannte Entstehungsprozess verläuft durch und um eine Scheibe, die sich um den neugeborenen Stern herum bildet. Über die Materiescheibe wird der wachsende zentrale Proto(baby)stern mit Materie versorgt. Auf der Grundlage theoretischer und beobachtungstechnischer Erkenntnisse wurden viele Hypothesen aufgestellt, um den Mechanismus der Wechselwirkung zwischen dem Stern und seiner Mutterscheibe zu beschreiben – zum Beispiel die Trichterbildung und Akkretion von Wirtsgas.
Diese Beziehung konnte bisher jedoch mit keinem Teleskop direkt beobachtet und nachgewiesen werden. Als Hauptgrund dafür nennt Professor Dr. Lucas Labadie vom I. Physikalischen Institut die bisherige Ungenauigkeit der Bilder aus dem All: „Der Nachweis dieser Ereignisse während der Sternenentstehung wäre so, als ob man einen ein Meter großen Kasten auf der Mondoberfläche ausmachen würde. Mit einem normalen Teleskop ist das nicht möglich.“
Mithilfe des Interferometers des VLT in Chile und seinem Instrument GRAVITY, das eine noch nie dagewesene Winkelauflösung ermöglicht, ist eine solch präzise Beobachtung nun aber möglich geworden, erklärt Labadie: „Das Interferometer sammelt und kombiniert das Licht von verschiedenen Teleskopen, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt sind, und bietet damit die gleiche Genauigkeit wie ein hypothetisches Riesenteleskop mit vergleichbarem Durchmesser.“
Unter Mitwirkung von Mitgliedern des Kölner Instituts nutzten Astrophysiker und -physikerinnen mehrerer europäischer Institutionen das GRAVITY-Instrument, um die Regionen um das junge System von „TW Hydrae“ zu untersuchen. TW Hydrae gilt als das ähnlichste Beispiel dafür, wie unsere Sonne zur Zeit ihrer Entstehung vor mehr als fünf Milliarden Jahren ausgesehen haben mag.
Durch sehr genaue Messungen hat das Forschungsteam nun direkt nachgewiesen, dass die Emission von heißem Gas tatsächlich Ergebnis der magnetosphärischen Akkretion ist, die sehr nahe an der Sternoberfläche stattfindet. „Das ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Bestreben, die Mechanismen nachzuweisen, die bei der Sternentstehung am Werk sein müssen“, sagt Lucas Labadie. „Wir wollen diese Forschungsmethode nun auf andere junge Sterne ausdehnen, um zu verstehen, wie die Entwicklung der Mutterscheibe – dem Geburtsort der Planeten – verläuft.“
Das Team ist Teil der GRAVITY-Kollaboration, benannt nach dem Instrument, das von der Universität zu Köln mitentwickelt wurde. Beteiligt waren neben Lucas Labadie noch Rebekka Grellmann, Andreas Eckart, Matthew Horrobin, Christian Straubmeier und Michael Wiest. „Dieses Ergebnis von TW Hydrae veranschaulicht das einzigartige Potenzial der Interferometrie“, fügt Dr. Christian Straubmeier, Teammitglied und Ko-Investigator des GRAVITY-Projekts, hinzu. „Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, nun ein Upgrade namens GRAVITY+ zu entwickeln, in der Hoffnung, noch schwächere Objekte als die Materiewolken beobachten und abbilden zu können, als dies mit GRAVITY derzeit möglich ist.“
Inhaltlicher Kontakt:
Professor Dr. Lucas Labadie
I. Physikalisches Institut der Universität zu Köln
+49 221 470-3493
labadie@ph1.uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Eva Schissler
+49 221 470-4030
e.schissler@verw.uni-koeln.de
Zur Veröffentlichung:
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2613-1


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW