Bakterielle Elektrizität: Membranspannung beeinflusst die Toleranz gegen Antibiotika



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19.01.2023 10:18

Bakterielle Elektrizität: Membranspannung beeinflusst die Toleranz gegen Antibiotika

In räumlich strukturierten Gemeinschaften von Bakterien bilden sich elektrische Spannungsmuster aus, die mit Wachstum und Überleben zusammenhängen / Veröffentlichung in PLOS Biology

Die elektrische Spannung über die bakterielle Zellhülle zeigt an, wann sich Bakterien nicht mehr nur als Einzeller sondern als Kollektiv verhalten. Dies fanden Forscher*innen vom Institut für Biologische Physik der Universität zu Köln heraus. Bakterien sind zwar einzellige Organismen, jedoch bilden sie räumlich strukturierte Gemeinschaften aus, sogenannte Biofilme. In Biofilmen verhalten sich Bakterien als Kollektiv und können sich so besser gegen äußeren Stress wie Antibiotika schützen. Wie der Übergang vom Bakterium als Einzelgänger zu einer Gemeinschaft mit kollektivem Verhalten funktioniert, war bislang weitgehend unklar. Die Wissenschaftler*innen untersuchten, wie sich die elektrischen Eigenschaften der Bakterien während der Entstehung eines Biofilms entwickeln und entdeckten räumlich-zeitlich veränderliche Spannungs-Muster innerhalb der strukturierten Gemeinschaften. Diese korrelierten mit dem Entstehen von neuen Habitaten mit unterschiedlich starker Toleranz gegen Antibiotika. Im Artikel „Collective polarization dynamics in bacterial colonies signify the occurrence of distinct subpopulations“ im Journal PLOS Biology beschreiben die Forscher*innen ihre Erkenntnisse.
Bakterien bauen über ihre äußere Hülle, die Membran, eine elektrische Spannung auf. Man spricht hier auch von elektrischer Polarisation. Diese Polarisation ist eine wichtige Energiequelle für die Atmung, die Aufnahme von Nährstoffen, aber auch für den Ausstoß von Zellgiften. Erst kürzlich wurde es möglich, die Dynamik der Membranspannung auf dem Niveau von einzelnen Bakterienzellen zu untersuchen. Dabei fand man heraus, dass die Spannung zeitlich stark fluktuiert, wobei die Fluktuation einzelner Bakterien voneinander unabhängig sind.
Wie verändert sich die Spannung während sich ein Biofilm entwickelt und welche Umweltfaktoren beeinflussen die Spannung? Wie hängt die Spannung mit dem Wachstumsverhalten und der Toleranz gegen Antibiotika zusammen? Diesen Fragen sind nun Forscher*innen der Universität zu Köln um Professorin Berenike Maier am Institut für Biologische Physik nachgegangen. Sie untersuchten frühe Stadien der Biofilmbildung von Neisseria gonorrhoeae (auch Gonokokkus), dem Erreger von Gonorrhö, einer der häufigsten sexuell übertragbaren Krankheit, die zu Eileiterschwangerschaften und Unfruchtbarkeit führen kann. Gonokokken können innerhalb von wenigen Minuten kugelförmige Kolonien bilden, die aus tausenden von Bakterien bestehen. “Mittels spezieller Lichtmikroskopie in Kombination mit von uns entwickelten Bildanalyse-Werkzeugen können wir die Dynamik der Membranspannung von einzelnen Zellen in diesen Kolonien messen”, erklärt Dr. Marc Hennes, Erstautor der Studie. “In frischen Kolonien verhält sich die Spannung benachbarter Bakterien völlig unkorreliert. Wenn die Kolonie eine kritische Größe erreicht hat, beobachteten wir etwas völlig Unerwartetes: Die Zellen im Zentrum erhöhen plötzlich ihre Spannung; sie hyperpolarisieren.“ Anschließend wandert eine Schale von hyperpolarisierten Zellen durch die Kolonie. Im Inneren der Schale ist die Spannung erniedrigt. Dieses Auftreten räumlich-zeitlich zusammenhängender Polarisation interpretieren die Forscher*innen als den Übergang zu kollektivem Verhalten, der die Ausbildung eines Biofilms anzeigt. Eine Kombination von Computersimulation und Laborexperimenten lieferte starke Hinweise darauf, dass diesem Polarisationsmuster eine Veränderung der Sauerstoffverhältnisse zugrunde liegt, die dadurch entsteht, dass im Inneren der Kolonie die Bakterien den Sauerstoff schneller verbrauchen, als er durch Diffusion nachgeliefert werden kann.
Eine wichtige Frage war nun, ob das Muster der Membranpolarisation auch mit der für Biofilme typischen funktionalen Heterogenität korreliert. Tatsächlich erniedrigten Bakterien ihre Wachstumsrate nachdem sie die Hyperpolarisation durchlaufen hatten, während die Bakterien an der Oberfläche der Kolonie unverändert weiter wuchsen. Die Bakterien im Zentrum der Kolonie waren außerdem toleranter gegen Antibiotika. Erhöhte Toleranz gegen Antibiotika ist ein akutes medizinisches Problem bei der Behandlung von Biofilmen. Deren molekulare Ursachen untersuchen die Forscher*innen im Rahmen eines vom Center for Molecular Medicine Cologne an der Universität zu Köln geförderten Projekts.
In Zukunft wird das Ziel sein, innerhalb eines neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft die molekularen Ursachen des Polarisationsmusters sowie der Zusammenhang mit Antibiotikatoleranz besser zu verstehen.
Inhaltlicher Kontakt:
Professorin Dr. Berenike Maier
+49 221 470 8046
berenike.maier@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470 2356
j.voelkel@verw.uni-koeln.de
Veröffentlichung:
https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.3001960

Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW