Einzelmolekülmikroskopie macht den Tanz der Rezeptoren sichtbar

Einzelmolekülmikroskopie macht den Tanz der Rezeptoren sichtbar


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16.01.2020 09:46

Einzelmolekülmikroskopie macht den Tanz der Rezeptoren sichtbar

Forscher veranschaulichen die molekularen Strukturen von TNF Rezeptoren in der Zellmembran

FRANKFURT. Ob eine kranke Zelle stirbt, sich teilt oder durch den Körper wandert, reguliert ein ausgeklügeltes Wechselspiel von Botenmolekülen und Rezeptoren in der Zellmembran. Einer der wichtigsten Signalstoffe des Immunsystems ist der Tumornekrosefaktor α (TNFα). Forscher unter Federführung der Goethe-Universität haben nun erstmals in Zellen die molekulare Organisation einzelner Rezeptor-Moleküle und die Bindung von TNFα an die Zellmembran visualisiert.

Damit der Tumornekrosefaktor an einen Membranrezeptor binden kann, muss dieser zunächst aktiviert werden. Das bedeutet, dass der Schlüssel nur unter bestimmten Umständen ins Schloss passt. So wird verhindert, dass beispielsweise eine gesunde Zelle den programmierten Zelltod stirbt. „Im Membranrezeptor TNFR1 wird die Bindung von TNFα über mehrere Cystein-reiche Domänen, kurz CRDs, vermittelt”, erklärt Sjoerd van Wijk vom Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie an der Goethe-Universität.

Insbesondere die CRD1-Domäne des Rezeptors sorgt dafür, dass TNFα “andocken” kann. Bisher wussten die Forscher, dass sich dann Rezeptor-Moleküle zusammenlagern wie in einem Tanz, bei dem sich zwei, drei oder mehr Partner an den Händen fassen. Nur dass die Dimere, Trimere oder Oligomere aus gleichartigen Untereinheiten, in diesem Fall Rezeptoren, bestehen. Allerdings finden solche „Umbaumaßnahmen“ auch statt, wenn kein TNFα in der Nähe ist. „Trotz der großen Bedeutung von TNFα bei Krankheiten wie Entzündungen und Krebs sind die Physiologie und die Struktur von TNFR1 an der Zellmembran bisher noch weitgehend unbekannt”, erklärt Sjoerd van Wijk den Ausgangspunkt für seine Forschung.

Um die Vorgänge an der Zellmembran im Detail zu verstehen, wandte sich van Wijk an Mike Heilemann vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Goethe-Universität. Mit der von ihm entwickelten Kombination aus quantitativer Mikroskopie und hochauflösender Einzelmolekülmikroskopie kann Heilemann einzelne Proteinkomplexe und deren molekulare Organisation in Zellen sichtbar machen. Gemeinsam mit Ivan Dikic (Institut für Biochemie II) und Simone Fulda (Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie) an der Goethe-Universität, Harald Wajant vom Universitätsklinikum Würzburg und Darius Widera von der Universität Reading/UK, konnten sie nun den Tanz der Rezeptor-Moleküle beobachten. Finanzielle Unterstützung kam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Sonderforschungsbereich 807, „Transport and Communication across Biological Membranes“.
Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science Signaling“ berichten, liegen die TNFR1-Rezeptoren in Abwesenheit von TNFα als Monomere und Dimere vor. Sobald jedoch TNFα an die Rezeptoren bindet, bilden diese in der Membran Trimere und Oligomere. Gleichzeitig fanden die Forscher Hinweise auf Mechanismen, die das Schicksal der Zelle unabhängig von TNFα bestimmen. Diese könnten bei Entgleisungen wie Krebs oder überschießenden Entzündungsreaktionen, etwa der rheumatoiden Arthritis, relevant sein. „Das eröffnet neue Wege für die therapeutische Regulation“, so van Wijk.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Sjoerd van Wijk, Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, Campus Niederrad, Tel.: (069) 67866574, Email: s.wijk@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de


Originalpublikation:

C. Karathanasis, J. Medler, F. Fricke, S. Smith, S. Malkusch, D. Widera, S. Fulda, H. Wajant, S. J. L. van Wijk, I. Dikic, M. Heilemann, Single-molecule imaging reveals the oligomeric state of functional TNF-induced plasma membrane TNFR1 clusters in cells. Sci. Signal. 13, eaax5647 (2020).
DOI: 10.1126/scisignal.aax5647


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW