Erstes humanes Modell zur Untersuchung der Gehirnentwicklung bei Stress



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27.10.2021 16:50

Erstes humanes Modell zur Untersuchung der Gehirnentwicklung bei Stress

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie konnten erstmals zeigen, dass Gehirnorganoide ein geeignetes Modellsystem sind, um zu erforschen, wie sich Stress auf die menschliche Gehirnentwicklung auswirkt. Die Simulation einer stressigen Umwelt beeinträchtigt die neuronale Entwicklung in den Gehirnorganoiden und führt zu einer Aktivierung von Genen, die mit verschiedenen psychischen Erkrankungen wie Depression in Verbindung stehen. Die Ergebnisse der Studie wurden jüngst im American Journal of Psychiatry veröffentlicht.

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Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
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Zu viele Stresshormone während der Schwangerschaft, hervorgerufen durch Umweltfaktoren wie Stress der Mutter im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung oder durch die Gabe synthetischer Stresshormone zur Beschleunigung der Lungenreifung, können Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung des Kindes vor der Geburt haben. Dies kann im späteren Leben zu einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen führen. Wissenschaftler unter der Leitung von Elisabeth Binder, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, zeigten in ihrer Studie, dass menschliche Gehirnorganoide ein geeignetes Modellsystem sind, um die Auswirkungen von Stresshormonen auf die Gehirnentwicklung zu untersuchen. Zusätzlich zu Tiermodellen können menschliche Gehirnorganoide weitere Einblicke in die Entwicklung des Gehirns und das molekulare Stresssystem des menschlichen Fötus geben.

Die Wissenschaftler behandelten die Gehirnorganoide mit einem synthetischen Stresshormon, um negative Umwelteinflüsse in der Zellkulturschale zu simulieren. Sie stellten fest, dass das Stresshormon das Ablesen neuronenspezifischer Gene verändert und dadurch die neuronale Reifung in den Gehirnorganoiden beeinträchtigt. „Gehirnorganoide ermöglichen es uns, die Interaktionen zwischen den Genen und den Umweltbedingungen in einem 3D-Modell zu untersuchen“, erklärt Cristiana Cruceanu, Erstautorin der Studie. „Bisher hat uns dieses System geholfen, die Mechanismen zu verstehen, die mit dieser Stressbelastung zusammenhängen. Zukünftig können wir dieses Modellsystem nutzen, um nach Substanzen zu suchen, die den negativen Effekten einer schädlichen Umwelt entgegenwirken.“

Das Forscherteam fand zudem heraus, dass sich die Aktivierung des Stresssystems auf Gene auswirkt, die mit psychischen und verhaltensauffälligen Erkrankungen in Verbindung stehen. Das molekulare Stresssystem verschiebt also das natürliche Entwicklungsgleichgewicht im Gehirn, indem es Gene reguliert, die für die neuronale Entwicklung wichtig sind und die an Erkrankungen des Gehirns beteiligt sind. „Mit den Gehirnorganoiden können wir die Effekte von Stresshormonen auf die frühe Gehirnentwicklung untersuchen und biologische Prozesse identifizieren, die bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen eine Rolle spielen“, resümiert Cruceanu.

Gehirnorganoide werden aus erwachsenen Zellen hergestellt: Menschliche Zellen aus der Haut oder dem Blut werden zu pluripotenten Stammzellen umprogrammiert; diese werden so angeregt, dass sie zu Zellen reifen – oder in diesem Fall 3D-Gewebestrukturen – die bei der Gehirnentwicklung eine Rolle spielen. Gehirnorganoide bestehen aus Neuronen, neuronalen Vorläuferzellen und nicht-neuronalen Vorläuferzellen, die die dreidimensionale Struktur unterstützen. Das hier beschriebene molekulare Stresssystem bezeichnet ein Stresshormon (entweder Cortisol oder das synthetische Glucocorticoid Dexamethasone), seinen Rezeptor (den Glucocorticoid-Rezeptor) und die molekulare Maschinerie, die zur Ablesung von Zielgenen führt. Die Aktivierung des Glucocortocoidsystems stellt einen wichtigen Umwelteinfluss dar.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Cristiana Cruceanu cristianacruceanu@gmail.com


Originalpublikation:

American Journal of Psychiatry
DOI: https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2021.21010095


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW