09.04.2021 22:44
Hohes Erkrankungsrisiko von jungen Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler – eine Verlaufsstudie über 15 Jahre
Mehr als 90% der Kinder mit einem angeborenen Herzfehler (AHF) überleben heute dank der medizinischen Versorgung durch Kinderkardiologen und Kinderherzchirurgen bis in das Erwachsenenalter.
Während der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie 2021 wurde aus der Klinik für Pädiatrische Kardiologie des Universitätsklinikums Göttingen und der Medizinischen Soziologie der Medizinischen Hochschule Hannover eine große Studie zum Langzeitverlauf dieser Patienten vorgestellt.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Um die Probleme im Langzeitverlauf zu erfassen, wurden Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler (EMAH) über 15 Jahre lang nachverfolgt und untersucht. Alle Patienten hatten mindestens eine korrigierende oder palliative Herzoperation erfahren und waren zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 27 und 60 Jahre alt. Von den insgesamt 249 Patienten hatten 21% einen einfachen, 60% einen mittelschweren und 19% einen schweren Herzfehler.
Im Verlauf der 15jährigen Beobachtungszeit zeigte sich, dass mehr als die Hälfte (51%) dieser Patienten einen Krankenhausaufenthalt benötigte. Die Hospitalisierungsrate nahm mit dem Schweregrad des Herzfehlers zu. Am häufigsten mussten die Patienten mit einem Einkammerherzen nach Fontan-Operation, einer Transposition der großen Arterien nach Vorhofumkehroperation und einer Fallot-Tetralogie stationär behandelt werden. Dabei wurden u.a. erneute herzchirurgische Eingriffe (62%), katheterinterventionelle Prozeduren (83%) und elektrophysiologische Untersuchungen (45%) vorgenommen. Weitere behandlungsbedürftige schwere Erkrankungen waren eine infektiöse Endokarditis und ein Lungenhochdruck.
Im Verlauf stieg die Zahl der Patienten, die Medikamentenpflichtig wurden, deutlich an und verdoppelte sich z.B. für die Einnahme von Herz-spezifischen Medikamenten und Gerinnungshemmern (Antikoagulantien). Davon waren wiederum die Patienten mit mittelschweren und schweren Herzfehlern vermehrt betroffen.
Die Studie zeigt, dass eine intensive lebenslange Betreuung dieser Patienten durch hochspezialisierte Ärzte und Kliniken (zertifizierte EMAH-Ärzte und EMAH-Zentren) dringend erforderlich ist. Die Ergebnisse belegen ferner, dass auch Patienten mit einfachen Herzfehlern im Erwachsenenalter an neuerlichen Herzproblemen erkranken können und deshalb ebenfalls der fachmedizinischen Langzeitbetreuung bedürfen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Thomas Paul
Direktor der Klinik Pädiatrische Kardiologie, Intensivmedizin und Neonatologie
Universitätsklinikum Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
D-37075 Göttingen
Tel.: 0551-3962580
Fax: 0551-3962578
E-Mail: tpaul@gwdg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
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