Lebenswerk Moostierchen

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10.10.2019 09:58

Lebenswerk Moostierchen

Frankfurt, 10.10.2019. Die weltweit größte Sammlung von fossilen Moostierchen der Kreide- und Tertiärzeit wurde im Rahmen eines DFG-Projektes digitalisiert und ist seit heute in einem dreibändigen Katalog im Fachjournal „Carnets Geol.“ veröffentlicht. Die Sammlung hat Geologe und Paläontologe Ehrhard Voigt über 85 Jahre zusammengetragen. Auf seinen Wunsch wurde sie 2005 an das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt übergeben. Insgesamt beinhaltet die Voigt-Sammlung über 300.000 Serien und 256 Holotypen der winzigen Tiere am Standort Frankfurt.

Moostierchen (Bryozoen) sind aufgrund ihrer mikroskopischen Größe – trotz ihres häufigen Auftretens in Gewässern aller Art – als Einzeltiere unauffällig und schwer auszumachen. Geologe und Paläontologe Prof. Dr. Ehrhard Voigt (1905 – 2004) hat den vielzelligen Wassertieren dennoch sein gesamtes Leben gewidmet. „Seit einem Fossilfund im elterlichen Garten in seinen Jugendjahren befasste sich Voigt mit Bryozoen. Insgesamt beschrieb er mehr als 500 Moostierchen-Arten“, erzählt PD Dr. Joachim Scholz vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt: „Er hat dabei einen zweifachen Weltrekord aufgestellt: Die größte Sammlung, die ein*e einzelne*r Wissenschaftler*in zusammentrug, sowie 85 Jahre Lebenszeit, die durchgehend einem einzigen Tierstamm gewidmet wurden!“

Etwa 20.000 der wichtigsten Voigt-Bryozoen wurden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt digitalisiert und für die Wissenschaft in einer Online-Datenbank bereitgestellt. „Als eine weitere Folge dieses Projektes ist nun ein dreiteiliger Sammlungskatalog entstanden, der über 80 Tafeln mit Fotos von Bryozoen enthält“, ergänzt Scholz.

Bryozoen gelten als exzellente Modellorganismen für Evolution und zur Erfassung von Umweltfaktoren. So lassen sich beispielsweise Riffsterben, Meeresverschmutzung und Ozeanversauerung aus ihrem Skelettwuchs ableiten. Auch ihre Verbreitungsgebiete geben Aufschluss. Scholz hierzu: „Bedingt durch den globalen Klimawandel gibt es aktuell mehrere, ursprünglich in den Tropen beheimatete Arten in der Nordsee – und es werden stetig mehr!“

Die kleinen Tiere überraschen die Forschenden immer wieder aufs Neue: In einer aktuellen Studie im Fachjournal „Scientific Reports“ beschreibt ein internationales Team – unter anderem von der Macquarie University Sydney, dem Max-Planck Institut für Chemie in Mainz und der Zoologischen Staatssammlung München (wo die Mikro-Computertomographischen Aufnahmen entstanden) zusammen mit dem Frankfurter Paläontologen einen völlig neuen Modus der Verkalkung von Schalen. Dabei scheiden die Moostierchen erst das Mineral Calcit und danach das – sich in seiner Kristallstruktur unterscheidende Calciumcarbonat – Aragonit ab. Beides ist getrennt durch eine mikroskopisch kleine organische Schicht, die nur mit Hilfe von aufwendiger Technik gefunden wurde. „Das zeigt uns, dass selbst bei einer lebenslangen Beschäftigung mit Bryozoen, noch lange nicht alle Wissenslücken zu den winzigen Organismen geschlossen sind“, resümiert Scholz.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Joachim Scholz
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Tel. 069 7542 1358
joachim.scholz@senckenberg.de


Originalpublikation:

Publikationen
Silviu O. Martha, Kei Matsuyama, Joachim Scholz, Paul D. Taylor, Gero Hillmer (2019): The bryozoan collection of Prof. Dr Ehrhard VOIGT (1905–2004)
at the Senckenberg Institute in Frankfurt. In: Carnets Geol. 19 (17)

D. E. Jacob, B. Ruthensteiner, P. Trimby, H. Henry, S. O. Martha, J. Leitner, L. M. Otter & J. Scholz (2019): Architecture of Anoteropora latirostris (Bryozoa, Cheilostomata) and implications for their biomineralization. Scientific Reports volume 9, Article number: 11439
https://doi.org/10.1038/s41598-019-47848-4


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW