Teilen:
28.08.2024 10:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nach Operationen: Schmerz schränkt Mobilität nicht ein
Oft ist die Beweglichkeit nach chirurgischen Eingriffen zunächst eingeschränkt. Zudem führen Operationen manchmal zu akuten Schmerzen. Ein internationales Forschungsteam untersuchte nun den Zusammenhang von Aktivität und Schmerz nach OPs. Sein Fazit: Es gibt keinen.
Führen Schmerzen nach einer Operation zu weniger Bewegung? Sind Patientinnen und Patienten aktiv, obwohl es weh tut oder empfinden sie Mobilität gar als Hilfe bei der Schmerzbewältigung? Bisher gab es zu diesen Fragen wenige Daten und diese zeigten ein uneinheitliches Bild. Im Rahmen des europäischen Verbundprojektes IMI-Paincare suchte ein internationales Forschungsteam nach Antworten auf diese Fragen. Die Ergebnisse der Studie unter der Leitung der Schmerzforschung am Universitätsklinikum Jena wurden jetzt im European Journal of Pain veröffentlicht.
An der Untersuchung in vier europäischen Universitätskliniken beteiligten sich knapp 300 Patientinnen und Patienten, die sich einer Brust- oder Endometrioseoperation unterzogen hatten, bei denen wegen eines Eingriffs der Brustkorb geöffnet worden war, oder die ein künstliches Kniegelenk erhalten hatten. Sie erhielten am Tag nach der Operation einen am Handgelenk zu tragbaren Schrittzähler ohne Anzeige, mit dem eine Woche lang ihre Mobilität erfasst wurde. Vor der OP und sieben Tage nach dem Eingriff beantworteten die Teilnehmenden zudem umfassende Fragebögen zum Schmerz.
Wie erwartet war die Mobilität unmittelbar nach der Operation stark eingeschränkt. Sie verbesserte sich dann im Lauf in der ersten Tage beständig. „Überraschenderweise gab es aber eine Woche nach der Operation praktisch keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Schritte der Patientinnen und Patienten und der von ihnen berichteten Schmerzstärke“, so der Leiter der Studie, Dr. Marcus Komann vom Universitätsklinikum Jena. „Wir hatten vermutet, dass Patienten mit starken Schmerzen sich weniger bewegen. Dem ist aber nicht so.“
Auch für verschiedene Teilaspekte konnte das Autorenteam keine signifikanten Korrelationen zur Mobilität feststellen: Bei keinem der vier verschiedenen Eingriffe fand sich ein Zusammenhang der Schrittzahl mit der Schmerzintensität in Ruhe und Bewegung, mit OP-spezifischen Schmerzen oder mit der Gabe von Schmerzmitteln. In Bezug auf die Aktivität ergab sich kein Unterschied, ob die frisch Operierten zusätzliche Medikamente zur Schmerzbehandlung wünschten oder nicht. Über die veröffentlichten Daten hinaus untersuchte das Studienteam zudem Alter und Body-Mass-Index, konnte aber auch dafür keinen Zusammenhang zur gemessenen Mobilität herstellen.
Marcus Komann: „Unsere Studie zeigt, dass Schmerzen die Mobilität nach Operationen nicht einschränken. Starker Schmerz und eingeschränkte Beweglichkeit sind vielmehr zwei voneinander unabhängige Aspekte der Genesung.“ Zur Bewertung des Gesundheitszustandes von Patientinnen und Patienten nach chirurgischen Eingriffen sollten beide Parameter gemessen werden, um Probleme zu erkennen, rät er. Dies erlaube es, die Behandlung bei Bedarf anzupassen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Marcus Komann
Sektion Schmerztherapie, Universitätsklinikum Jena
E-Mail: marcus.komann@med.uni-jena.de
Tel: +49 3641 9323298
Originalpublikation:
Komann, M., Dreiling, J., Baumbach, P., Weinmann, C., Kalso, E., Stamer, U., Volk, T., Pogatzki-Zahn, E., Kehlet, H., & Meissner, W. (2024). Objectively measured activity is not associated with average pain intensity 1 week after surgery: A cross-sectional study. European Journal of Pain, 28, 1330–1342. https://doi.org/10.1002/ejp.2260
Weitere Informationen:
https://www.uniklinikum-jena.de/kai/Sektionen+und+Bereiche/Schmerztherapie.html Schmerztherapie am UKJ
Bilder
Schmerz und eingeschränkte Mobilität sind zwei voneinander unabhängige Aspekte der Genesung nach Ope …
Anna Schroll
Universitätsklinikum Jena
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch