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14.08.2024 10:40
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Neuer Wirkmechanismus tötet Krebszellen ab
Herkömmliche Krebsmedikamente wirken, indem sie in Tumorzellen die Apoptose auslösen, den programmierten Zelltod. Allerdings können Tumorzellen Strategien entwickeln, um der Apoptose zu entkommen, sodass die Medikamente unwirksam werden. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität beschreibt in „Angewandte Chemie“ einen neuen Wirkmechanismus, der Krebszellen durch Ferroptose abtötet. Dabei handelt es sich um eine andere Form von Apoptose, die erst in den 2010er-Jahren entdeckt wurde. Die Bochumer Gruppe synthetisierte einen Metallkomplex, zeigte seine Wirksamkeit in Zellkulturen und an Mikrotumoren und klärte den Wirkmechanismus chemisch auf. Der Artikel ist am 13. August 2024 online erschienen.
Die Forschungsarbeit entstand in der Arbeitsgruppe Medizinische Anorganische Chemie von Dr. Johannes Karges unter Mitwirkung des Doktoranden Nicolás Montesdeoca und der beiden Bachelor-Studierenden Lukas Johannknecht und Elizaveta Efanova sowie mit Unterstützung von Dr. Jaqueline Heinen-Weiler vom Medical Imaging Center der Ruhr-Universität.
Zwei Varianten des programmierten Zelltods
Beim programmierten Zelltod starten bestimmte Signalmoleküle eine Art Selbstmordprogramm, um Zellen kontrolliert absterben zu lassen. Das ist wichtig, um beispielsweise geschädigte Zellen zu eliminieren oder die Zellzahl in bestimmten Geweben zu kontrollieren. Die Apoptose ist ein seit Langem bekannter Mechanismus für den programmierten Zelltod. Mit der Ferroptose wurde in jüngerer Vergangenheit ein weiterer Mechanismus gefunden, der im Gegensatz zu anderen Zelltodmechanismen durch die Anreicherung von Lipidperoxiden gekennzeichnet ist. Dieser Prozess wird normalerweise durch Eisen – lateinisch Ferrum – katalysiert, wodurch die Ferroptose ihren Namen erhielt.
„Um eine Alternative zum Wirkmechanismus von herkömmlichen Chemotherapeutika zu finden, haben wir gezielt nach einer Substanz gesucht, die die Ferroptose auslösen kann“, erklärt Johannes Karges. Seine Gruppe synthetisierte einen Cobalt-haltigen Metallkomplex, der sich in den Mitochondrien von Zellen anreichert und dort reaktive Sauerstoffspezies entstehen lässt, genauer gesagt Hydroxidradikale. Diese greifen mehrfach ungesättigte Fettsäuren an, wodurch massenhaft Lipidperoxide entstehen, die wiederum die Ferroptose anstoßen. Das Team stellte somit erstmals einen Cobalt-Komplex her, mit dem sich die Ferroptose gezielt auslösen lässt.
Wirksamkeit an künstlichen Mikrotumoren nachgewiesen
Die Bochumer Forschenden zeigten an verschiedenen Krebszelllinien, dass der Cobalt-Komplex Ferroptose in Tumorzellen bewirkt. Darüber hinaus bremste die Substanz das Wachstum von künstlich hergestellten Mikrotumoren.
„Wir sind zuversichtlich, dass die Entwicklung von Metallkomplexen, die Ferroptose auslösen, ein vielversprechender neuer Ansatz für die Krebsbehandlung ist“, fasst Johannes Karges zusammen und stellt zugleich klar: „Es ist aber noch ein weiter Weg von unseren Studien hin zu einem Medikament.“ Der Metallkomplex müsste sich zunächst in Tierstudien und klinischen Studien bewähren. Außerdem wirkt die Substanz bislang nicht selektiv auf Tumorzellen, sondern würde auch gesunde Zellen angreifen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssten also zunächst einen Weg finden, den Cobalt-Komplex so zu verpacken, dass er nur Tumorzellen schädigt.
Förderung
Johannes Karges wird durch ein Liebig-Stipendium vom Fonds der Chemischen Industrie gefördert sowie durch den Life Sciences Bridge Award der Aventis Foundation und den Paul Ehrlich & Ludwig Darmstaedter Early Career Award 2024.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Johannes Karges
Arbeitsgruppe Medizinische Anorganische Chemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 24187
E-Mail: johannes.karges@ruhr-uni-bochum.de
Originalpublikation:
Nicolás Montesdeoca, Lukas Johannknecht, Elizaveta Efanova, Jacqueline Heinen-Weiler, Johannes Karges: Ferroptosis Inducing Co(III) Polypyridine Sulfasalazine Complex for Therapeutically Enhanced Anticancer Therapy, in: Angewandte Chemie International Edition, 2024, DOI: 10.1002/anie.202412585
Bilder
Ein Team um Johannes Karges hat einen neuen Metallkomplex entwickelt, der in Krebszellen eine erst s …
RUB, Marquard
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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