05.08.2019 17:21
Vom Moa bis zum Kakapo – Millionen Jahren Evolution in Neuseeland verloren oder bedroht
Neue Forschungsergebnisse, an denen auch Luis Valente vom Museum für Naturkunde Berlin beteiligt war zeigen, dass es 50 Millionen Jahre dauern würde, bis die seit der Ankunft der Menschen in Neuseeland ausgestorbene Vogelwelt wiederhergestellt wäre. Wenn Arten, die derzeit als potenziell gefährdet eingestuft werden ebenfalls aussterben würden, wären nochmals 10 Millionen Jahre erforderlich. Die langen Zeiträume zeigen die langfristigen Folgen des vom Menschen verursachten Aussterbens auf die natürliche Evolutionsdynamik der Inseln.
Die Neuseeländischen Inseln sind die Heimat vieler einzigartiger Tier- und Pflanzenarten, die nirgendwo sonst zu finden sind. Seit der Ankunft des Menschen sind jedoch durch die Einführung invasiver Arten, die Zerstörung von Lebensräumen und die Übernutzung durch Landwirtschaft viele Arten verloren gegangen. Einer der verheerendsten Aussterbewellen in Neuseeland sind mehr als 70 Vogelarten zum Opfer gefallen. Derzeit sind viele der überlebenden Arten bedroht. Während die Auswirkungen des Menschen auf die Artenzahl Neuseelands bekannt sind, gab es bisher keine Studie, die den Einfluss des Menschen auf die Evolutionsgeschichte der Inseln untersucht hat.
Alfred Russel Wallace bezeichnete die neuseeländische Fauna als “wunderbar isoliert”, und sie ist tatsächlich einzigartig. Im Gegensatz zu anderen großen Landmassen war die Fauna Neuseelands von Vögeln dominiert, und es gab keine Säugetiere außer Fledermäusen. Als die Menschen die Inseln besiedelten, fanden sie den flugunfähigen Moa, den größten Adler der Welt und das nationale Symbol des Landes – den Kiwi – vor. Nach der Ankunft der Maori und später der Europäer starben Dutzende von Vogelarten aus, darunter alle Moas. Von den Arten, die diese Aussterbewelle überlebt haben, sind viele evolutionär isoliert und derzeit gefährdet, darunter der große Nachtpapagei Kakapo und der flugunfähige Rallenvogel Takahe.
Luis Valente (Museum für Naturkunde Berlin, Naturalis Biodiversity Center und University of Groningen) und Juan Carlos Garcia Ramirez von der Massey University (Neuseeland) sammelten zusammen mit Rampal Etienne von der University of Groningen (Niederlande) Daten über ausgestorbene und lebende Vögel in Neuseeland, wobei der Schwerpunkt auf einheimischen Landvögeln und ihren nahen Verwandten lag. Sie erforschten genetische und fossile Daten, die von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Jahrzehnte hinweg produziert wurden und alle bekannten neuseeländischen Arten abdecken, einschließlich derjenigen, die in den letzten 800 Jahren seit der Ankunft der Menschen ausgestorben sind. Mittels Computersimulationen kann nun vorhergesagt werden wie lange es dauern würde, bis die Inseln die Anzahl der verlorenen Arten wiedererlangen würden: Mindestens 50 Millionen Jahre würde es dauern, um zu der Zahl der Arten zurückzukehren, die vor der Ankunft des Menschen vorhanden war. Wenn derzeit bedrohte Arten auch noch aussterben würden, wären weitere sechs Millionen Jahre nötig, um zur heutigen Vielfalt zurückzukehren. Wenn Arten, die derzeit als potenziell gefährdet eingestuft werden, ebenfalls aussterben würden, wären nochmals 10 Millionen Jahre erforderlich. Die überraschend langen Zeiträume veranschaulichen die Folgen des vom Menschen verursachten Aussterbens auf die langfristige, natürliche Evolutionsdynamik auf den Inseln. Glücklicherweise können die großen Vogelschutzmaßnahmen Neuseelands noch verhindern, dass Millionen von Jahren Evolutionsgeschichte weiter verloren gehen.
Die Forschung wurde unter anderem durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Niederländischen Organisation für wissenschaftliche Forschung (NWO) und des Massey University Fund unterstützt.
Publiziert in: Valente L., Etienne R.S., Juan-C Garcia R. Deep macroevolutionary impact of humans on New Zealand’s unique avifauna. Current Biology, http://cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(19)30785-7, DOI: 10.1016/j.cub.2019.06.058
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Geowissenschaften, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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