Windenergie und Naturschutz: Warum die Beteiligten einander kaum vertrauen und wie das zu ändern ist

Windenergie und Naturschutz: Warum die Beteiligten einander kaum vertrauen und wie das zu ändern ist


Teilen: 

09.07.2020 13:57

Windenergie und Naturschutz: Warum die Beteiligten einander kaum vertrauen und wie das zu ändern ist

Jedes Jahr sind Windparks für den Tod von Hunderttausenden von fliegenden Tieren wie Fledermäuse verantwortlich, die mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen kollidieren. Um einen konstruktiven Weg aus diesem grün-grünen Dilemma zu finden, müssten Unternehmen, die Windparks bauen und betreiben, Umweltexperten und Naturschützer miteinander kooperieren. Der Mangel an Vertrauen zwischen ihnen kann jedoch eine effektive und kreative Zusammenarbeit behindern. Wissenschaftler*innen des Leibniz-IZW zeigten nun, dass gemeinsame Werte allein nicht ausreichen, um Vertrauen zwischen diesen Gruppen zu bilden. Einen stärkeren Einfluss auf die Zusammenarbeit haben Überzeugungen und Emotionen.

Die Ergebnisse ihrer Analyse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Energy Reports“ veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren betonen, eine verstärkte Berücksichtigung der gegenseitigen Überzeugungen und Emotionen bezüglich Bau und Betrieb von Windkraftanlagen könnte für die Zusammenarbeit wichtig sein und dazu beitragen, dieses Dilemma zu beseitigen.

Die Eindämmung des Klimawandels durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer (grüner) Energieträger, zum Beispiel durch Windkraftanlagen, scheint eine gute Sache zu sein. Gleiches gilt für die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch den Schutz von Vögeln und Fledermäusen. Wenn allerdings Fledermäuse und Vögel mit Rotorblättern kollidieren und versterben, entsteht ein grün-grünes Dilemma, welches vermieden werden sollte. An der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagenprojekten sind Interessenvertreter beteiligt, die unterschiedliche Ansichten und Interessen haben. Da sowohl der Schutz der biologischen Vielfalt als auch der Klimaschutz starke Befürworter mit starken Meinungen haben, ist es schwierig, einen Kompromiss zwischen der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen und dem Schutz von zum Beispiel Fledermäusen zu erreichen. Wenn die relevanten, oft gegensätzlich agierenden Gruppen zusammenarbeiteten, könnten ihre unterschiedlichen Ansichten und Fachkenntnisse allerdings auch neuartige Lösungen des Konflikts aufzeigen und dazu beitragen, beide Ziele in Einklang zu bringen. So könnten beispielweise ökologisch sensible Gebiete von der Erschließung für Windkraftanlagen ausgenommen und die Betriebszeiten von Windkraftanlagen konsequent an die Aktivitätsrhythmen von Fledermäusen angepasst werden. Eine wesentliche Voraussetzung für eine solche Zusammenarbeit mit dieser Art von Ergebnis ist gegenseitiges Vertrauen.

Das Forschungsteam vom Leibniz-IZW unter der Leitung von Dr. Tanja Straka führte eine Online-Umfrage durch, um zu untersuchen, wie sich Werte, Überzeugungen und Emotionen gegenüber Windkraftanlagen und Fledermäusen auf das Vertrauen zwischen den verschiedenen Interessengruppen auswirken, die an dem grün-grünen Dilemma in Deutschland beteiligt sind. An der Umfrage nahmen insgesamt 537 Vertreterinnen und Vertreter von sechs Interessengruppen teil. Hierzu zählten Mitglieder der Windenergiebranche, Umweltgutachter, Vertreter der Naturschutzbehörden, Wissenschaftlerinnen und WIssenschaftler sowie Freiwillige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen im Umweltsektor.

Die Analyse der Antwoten ergab, dass die Mitglieder aller bei der Planung von Windenergieprojekten gehörten Gruppen die Grundwerte des nachhaltigen Umgangs mit der Natur teilen. Zugleich zeigte sich, dass die Beteiligten einander wenig vertrauen. Offensichtlich sind gemeinsame Werte keine ausreichende Basis für eine Zusammenarbeit. Laut der Analyse sind gemeinsame Überzeugungen und Emotionen gegenüber Artenschutz oder der grünen Energie eine wichtigere Grundlage für Vertrauen zwischen Stakeholdern.

„Entscheidungsprozesse sind selten rein rational“, so Straka. Daher empfehlen die Autorinnen und Autoren des Artikels, die unterschiedlichen Überzeugungen und Emotionen der Vertreter der bei der Planung von Windenergieprojekten gehörten Interessengruppen stärker zu berücksichtigen. „Bei der Gestaltung von Dialogveranstaltungen zwischen den Stakeholder-Gruppen sollte es neben der Vermittlung evidenzbasierten Wissens ebenso wichtig sein, eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, in der die Teilnehmenden ihre Ansichten offen austauschen können“, ergänzt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. Dieser Austausch könne das Vertrauen stärken und die Zusammenarbeit zwischen den Vertretern verschiedener Gruppen fördern. „Dadurch könnte der Fledermausschutz bei der Planung und späteren Umsetzung von Windenergieprojekten verbessert werden, was im Endeffekt sowohl der ökologisch nachhaltigen Energiewende als auch der Bewahrung unserer biologischen Vielfalt dient“.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Tanja Straka
Technische Universität Berlin
Ökosystemkunde/Pflanzenökologie
Institut für Ökologie
Tel. 030 3147 1487
E-mail tanja.straka@tu-berlin.de

PD Dr. Christian Voigt
Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Tel. 030 5168 511
E-Mail voigt@izw-berlin.de


Originalpublikation:

Tanja M. Straka, Marcus Fritze, Christian C. Voigt, The human dimensions of a green–green-dilemma: Lessons learned from the wind energy — wildlife conflict in Germany, Energy Reports, Volume 6, 2020, Pages 1768-1777
https://doi.org/10.1016/j.egyr.2020.06.028


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Energie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW