16.03.2021 14:30
Abwägen statt impulsiv entscheiden
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Neurobiologie Magdeburg (LIN), der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der University of California in Berkeley und des Universitätsklinikums Bonn haben herausgefunden, dass Areale im Stirnhirn und im Schläfenlappen wichtig für die Integration von Handlungsalternativen sind, wenn wir eine Entscheidung treffen müssen. Ihre Studie wurde im Journal of Neuroscience veröffentlicht.
Wir sind jeden Tag mit Situationen konfrontiert, in denen wir Entscheidungen zu treffen haben. Oft müssen wir zwischen einer großen Belohnung, auf die wir jedoch länger warten müssen, und einer kleineren Belohnung, die wir sofort bekommen können, wählen. Um die richtige Entscheidung zu treffen, muss unser Gehirn den Wert einer Option und die Zeit, bis wir diese Option erhalten, integrieren.
Gute Vorsätze zum neuen Jahr enthalten oft das Ziel, Körperfett zu verlieren, und ein solcher Gewichtsverlust brächte einen zwar nur langfristig zu erreichenden, aber sehr großen Gewinn mit sich. Die Aussicht auf einen Eisbecher kann jedoch das selbstgesteckte Langzeitziel weniger erstrebenswert erscheinen lassen. Sich aus einem Impuls heraus für ein Eis zu entscheiden, könnte daran liegen, dass wir die sofort verfügbare Belohnung – nämlich den Eisgenuss – allein deshalb überbewerten, weil wir im Moment der Entscheidung die Vorteile des Abnehmens nicht ausreichend bewerten.
Entscheidung der Probanden
Impulsive Entscheidungen entstehen durch die Bevorzugung kleinerer, aber früherer Belohnungen im Vergleich zu größeren, aber später eintreffenden Belohnungen. Wie genau wir Handlungsalternativen beachten und wie sie im Gehirn repräsentiert sind, ist bisher nicht erforscht. Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie mittels Eye-Tracking und magnetoenzephalographischer Aufzeichnungen (MEG) untersucht, wie solche Entscheidungen im menschlichen Gehirn entstehen. In dem Experiment mussten sich die Versuchspersonen entweder für sich selbst oder für einen besten Freund zwischen zwei Optionen entscheiden. Die Forscher wollten wissen, ob der subjektive Wert der Entscheidung dabei der Impulsivität entgegenwirkt. Es zeigte sich, dass die Probanden sehr viel länger warten wollten, wenn es um sie selbst ging, da dabei die Selbstwahrnehmung größer war, als wenn sie sich für den besten Freund entscheiden mussten. Die Studie konnte zeigen: Handlungsalternativen werden viel genauer überprüft und im Gehirn repräsentiert, wenn wir uns für uns selbst entscheiden.
Aktivität in fronto-temporalen Hirnregionen
„Die Studie zeigte, dass die Gehirnaktivität sowohl die Zeit bis zur Belohnung als auch die Höhe der Belohnung widerspiegelt, und die Aktivität in fronto-temporalen Regionen die Integration von Handlungsalternativen beim Menschen ermöglicht“, so LIN-Autor Dr. Stefan Dürschmid. Er ergänzt: „Aber nur, wenn die Entscheidung für sich selbst und nicht für andere getroffen werden musste. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Entscheidungen, die wir für uns selbst treffen, die Impulsivität eher geringer ist.“
Die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen anhand der gemessenen Hirnaktivität und der Blickbeobachtung der Probanden, dass Impulsivität nicht aus einer besonderen Empfänglichkeit für eine der Wahlmöglichkeiten sondern aus einem Mangel an Aufmerksamkeit für die Optionen resultiert. Damit tragen sie zum Verständnis der neuronalen Mechanismen bei, die bei der Entscheidungsfindung beim Menschen im Gehirn ablaufen.
Originalpublikation:
https://www.jneurosci.org/content/early/2020/12/15/JNEUROSCI.1196-20.2020
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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