14.05.2019 16:12
Digitale Quantensimulatoren können erstaunlich robust sein
Bei der Berechnung quantenphysikalischer Fragen in Vielteilchensystemen könnten digitale Quantensimulatoren zum Einsatz kommen. Bisher sind sie jedoch drastisch limitiert auf kleine Systeme und kurze Zeiten. Nun konnte ein Physiker der Universität Heidelberg gemeinsam mit Kollegen aus Dresden und Innsbruck (Österreich) zeigen, dass derartige Simulationen viel stabiler sein können als bislang angenommen.
Digitale Quantensimulatoren können erstaunlich robust sein
Heidelberger Forscher untersuchen „Fehlergrenze“, die verwertbare Simulationen limitiert
Bei der Berechnung quantenphysikalischer Fragen in Vielteilchensystemen, zum Beispiel für die Vorhersage von Materialeigenschaften, stoßen klassische Rechner schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Abhilfe könnten digitale Quantensimulatoren schaffen. Bisher sind diese jedoch drastisch limitiert auf kleine Systeme mit wenigen Teilchen und lediglich kurzen Simulationszeiten. Nun konnte Dr. Philipp Hauke, Physiker an der Universität Heidelberg, gemeinsam mit Kollegen aus Dresden und Innsbruck (Österreich) zeigen, dass derartige Simulationen viel „robuster“ und damit viel stabiler sein können als bislang angenommen. Die Ergebnisse ihrer Forschungen wurden in „Science Advances“ veröffentlicht.
In der Quantenphysik bezeichnet die Vielteilchentheorie die Beschreibung einer großen Zahl von Teilchen, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Im Zustand des thermodynamischen Gleichgewichtes lässt sich das Vielteilchensystem durch nur wenige Größen wie Temperatur oder Druck beschreiben; sie sind dabei weitgehend homogen für das gesamte System. Was passiert jedoch in der zeitlichen Folge nach einer starken Störung, etwa bei einer Materialprobe, bei der durch kurze Laserpulse abrupt Energie im Material deponiert wird? Diese sogenannte Nichtgleichgewichtsdynamik von wechselwirkenden Vielteilchensystemen exakt zu berechnen ist ein herausragendes Problem der Quantenphysik.
Berechnungen mit „klassischen“ Computern erfordern Ressourcen, die exponentiell mit der Anzahl der beteiligten Quantenteilchen ansteigen. „Das bedeutet, dass rechnerisch exakte Methoden bereits bei wenigen Dutzend Teilchen versagen. Dies liegt weit unterhalb der Anzahl, die zum Beispiel benötigt wird, um Materialeigenschaften vorherzusagen. In solchen Fällen sind Wissenschaftler auf Näherungsmethoden angewiesen, die jedoch oft unkontrolliert sind, gerade wenn es um dynamische Eigenschaften geht“, erläutert Dr. Hauke, der am Kirchhoff-Institut für Physik und am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg forscht. Ein möglicher Ausweg besteht in der digitalen Quantensimulation. Die Nichtgleichgewichtsdynamik wird dabei mit Simulatoren untersucht, die selbst quantenmechanischen Gesetzmäßigkeiten folgen.
Um die zeitliche Entwicklung in einem Quantencomputer darstellen zu können, muss diese in einzelne Operationen zerlegt werden. Dieses Vorgehen – auch Trotterisierung genannt – erzeugt jedoch unvermeidlich einen in der Simulation selbst liegenden Fehler. Dieser Trotter-Fehler kann durch ausreichend feine Zerlegungen abgeschwächt werden. Allerdings müssen extrem kleine Zerlegungsschritte gewählt werden, um eine längere zeitliche Entwicklung zuverlässig abbilden zu können. Nach dem bisherigen Stand der Forschung weitet sich der Fehler bei langen Zeitspannen und einer größeren Teilchenzahl schnell aus, was die digitale Quantensimulation in der Praxis drastisch limitiert auf kleine Systeme und kurze Zeiten.
Wie die Forscher nun mithilfe von numerischen Demonstrationen und analytischen Argumenten zeigen konnten, ist die digitale Quantensimulation jedoch viel „robuster“ und damit stabiler als bislang angenommen, solange nicht der volle Zustand eines jeden einzelnen Teilchens, sondern nur die in der Praxis relevanten Größen – wie Mittelwerte über das Gesamtsystem – in den Blick genommen werden. Für derartige Größen gibt es eine scharfe Grenze zwischen einem Bereich mit kontrollierbaren Fehlern und einer Simulation, die kein verwertbares Resultat mehr liefern kann. Unterhalb dieser Grenze hat der Trotter-Fehler nur begrenzte Auswirkungen – und zwar bei allen Zeitspannen, die bisher in der Praxis simuliert werden können, und weitgehend unabhängig von der beteiligten Teilchenzahl.
Die Forschungen haben zugleich gezeigt, dass die digitale Quantensimulation mit unverhofft großen Schritten der Zerlegung bei der Trotterisierung erstaunlich genaue Ergebnisse liefern kann. „Eine Simulation, die das Verhalten vieler Quantenteilchen über einen langen Zeitraum vorhersagen kann, wird damit immer wahrscheinlicher. Dies öffnet die Tür ein beträchtliches Stück weiter für praktische Anwendungen, die von der Materialwissenschaft über Quantenchemie hin zu Fragestellungen der fundamentalen Physik reichen“, betont Dr. Hauke, der die Forschungsgruppe „Quantenoptik und Quantenvielteilchentheorie“ leitet.
Die Forschungsarbeiten wurden gemeinsam mit Dr. Markus Heyl vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden und Prof. Dr. Peter Zoller von der Universität Innsbruck durchgeführt. An der Universität Heidelberg fanden sie im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Isolierte Quantensysteme und Universalität unter extremen Bedingungen“ (SFB 1225) statt.
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Philipp Hauke
Kirchhoff-Institut für Physik / Institut für Theoretische Physik
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philipp.hauke@kip.uni-heidelberg.de
Originalpublikation:
M. Heyl, P. Hauke, P. Zoller: Quantum localization bounds Trotter errors in digital quantum simulation. Science Advances (2019; 5:eaau834), https://doi.org/10.1126/sciadv.aau8342
Weitere Informationen:
http://www.kip.uni-heidelberg.de/qot
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
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