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08.10.2024 09:00
Elefanten erinnern sich nach vielen Jahren an Tierpfleger
Studie der Uni Kiel zum sozialen Langzeitgedächtnis der Rüsseltiere
– Afrikanische Elefanten, die vor 13 Jahren von ihrem Tierpfleger getrennt wurden, erkennen nach dieser langen Zeit offenbar noch immer dessen Geruch
– Die Studie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist die erste, die untersucht, ob Elefanten sich nach langer Zeit an Individuen einer anderen Art erinnern können
– Im Experiment konnten lediglich zwei Tiere getestet werden; die Ergebnisse sind daher vorläufig
Ein Elefant vergisst nie, weiß der Volksmund. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass die Rüsseltiere sich noch nach Jahrzehnten an Wasserstellen erinnern, die sie einmal besucht haben. Auch Artgenossen, denen sie lange nicht begegnet sind, erkennen sie oft wieder. Doch erstreckt sich ihr exzellentes soziales Langzeitgedächtnis auch auf Vertreterinnen und Vertreter anderer Spezies?
„Es gibt spannende Geschichten von asiatischen Elefanten, die dies vermuten lassen“, sagt Martin Kränzlin. Er hat die Studie im Rahmen seiner Bachelorarbeit unter Betreuung von Prof. Dr. Christine Böhmer (Arbeitsgruppe: Zoologie und Funktionsmorphologie der Vertebraten) am Zoologischen Institut der CAU durchgeführt. „So soll es schon vorgekommen sein, dass die Tiere einen ehemaligen Besitzer, den sie nicht mochten, bei einem Wiedersehen viele Jahre später mit Steinen beworfen haben. Das sind aber nur anekdotische Berichte; wissenschaftlich untersucht wurde diese Frage bislang noch nicht.“
Vor 13 Jahren von Berlin nach Niedersachsen umgezogen
Die in der Zeitschrift Zoobiology publizierten Ergebnisse liefern nun erste fundierte Hinweise darauf, dass Elefanten zumindest den Geruch ihrer Pflegerinnen und Pfleger noch nach langer Zeit erkennen können. Durchgeführt wurde die Studie in Kooperation mit dem Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen. Dort leben zwei Elefantenkühe, die vor 13 Jahren aus dem Berliner Zoo nach Hodenhagen umgezogen sind – Bibi und Panya.
„Wir haben zu den ehemaligen Berliner Pflegern Kontakt aufgenommen, insgesamt drei Männern“, sagt Kränzlin, der inzwischen am Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart arbeitet. „Für unser Experiment haben sie acht Stunden lang ein T-Shirt getragen, das wir dann später als Geruchsreiz verwandten. Außerdem zeichneten wir einen kurzen gesprochenen Satz von ihnen auf und fertigten Portraitfotos von ihnen an.“
Im eigentlichen Experiment bauten die Forschenden außerhalb des Geheges nebeneinander zwei Gestelle auf. Auf dem einen präsentierten sie einen Reiz von einem ehemaligen Pfleger – beispielsweise das getragene T-Shirt oder einen lebensgroßen Abzug des Portraitfotos. Auf dem anderen brachten sie dagegen den entsprechenden Reiz einer Person an, die den Elefanten unbekannt war.
Tiere interessierten sich mehr für Gerüche ehemaliger Pfleger
Die Tiere konnten beide Gestelle von ihrem Gehege aus sehen, aber nicht mit ihren Rüsseln erreichen. Dennoch versuchten sie das regelmäßig, um die präsentierten Stimuli genauer zu untersuchen. „Wir haben das Verhalten des jeweils getesteten Elefanten gefilmt“, sagt Kränzlin. „Anhand der Videos haben wir dann ausgewertet, wie oft und wie lange das Tier seinen Rüssel zu den Gestellen ausstreckte.“ Die Hypothese dahinter: Wenn dem getesteten Dickhäuter der präsentierte Reiz bekannt vorkommt, sollte das ein höheres Interesse in ihm wachrufen. Bibi und Panya sollten also solche Stimuli häufiger und länger zu erreichen versuchen.
Tatsächlich taten sie das auch – allerdings nur, wenn es sich bei dem präsentierten Reiz um ein T-Shirt handelte. Bei den Portraitfotos und den gesprochenen Sätzen gab es hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede. Völlig überraschend ist das nicht – die Rüsseltiere haben eine exzellente Nase, sehen aber relativ unscharf. „Unsere Ergebnisse sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Elefanten noch nach Jahrzehnten zumindest an den Geruch ihrer damaligen Pfleger erinnern können“, sagt Prof. Dr. Christine Böhmer von der CAU, die die Studie geleitet hat. „Dennoch sind weitere Studien mit einer größeren Anzahl von Individuen nötig, um die Ergebnisse abzusichern.“
Die Resultate sind auch für die Zoohaltung von Elefanten interessant. Denn wenn die Dickhäuter sich tatsächlich so lange an ihre Pfleger erinnern, dann spricht das dafür, dass diese für die Tiere ziemlich wichtig sind. Eine stabile Beziehung zu ihren menschlichen Betreuerinnen und Betreuern kann sich daher womöglich sehr positiv auf das Wohlbefinden von Zoo-Elefanten auswirken.
Fotos stehen zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2024/160-Versuchsaufbau.jpg
Die Forschenden bauten außerhalb des Geheges nebeneinander zwei Ständer auf. Auf dem einen präsentierten sie zum Beispiel ein von einem ehemaligen Pfleger getragenes T-Shirt, auf dem anderen das T-Shirt einer unbekannten Person. Die Elefanten versuchten öfter und länger, das Shirt des Pflegers mit dem Rüssel zu erkunden.
© Luise Kränzlin/AG Böhmer, Uni Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Eva Sittig, Text/Redaktion: Frank Luerweg
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christine Böhmer
Zoologie und Funktionsmorphologie der Vertebraten
Zoologisches Institut
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Telefon: 0431/880-4507
E-Mail: cboehmer@zoologie.uni-kiel.de
Originalpublikation:
Martin Kränzlin, Idu Azogu-Sepe, Emmanuelle Pouydebat, Christine Böhmer. Do African Savanna Elephants (Loxodonta africana) Show Interspecific Social Long-Term Memory for Their Zoo Keepers? Zoobiology 2024; DOI: 10.1002/zoo.21871
https://doi.org/10.1002/zoo.21871
Weitere Informationen:
http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/160-elefanten
Bilder
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Psychologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
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