20.01.2021 09:12
Forschende entwickeln neuen Ansatz, um Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkennen
Mit Hilfe eines typischen Proteins im menschlichen Blut lassen sich womöglich schwer zu diagnostizierende Pankreastumore aufspüren. Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Alfried Krupp Krankenhauses in Essen und der Universität Witten/Herdecke haben hierfür ein neues Verfahren entwickelt. In einer ersten Studie im Fachjournal “ACS Pharmacology & Translational Science” zeigt das Team, wie sich damit auch zwischen gut- und bösartigen Tumoren unterscheiden lässt.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Pankreaskrebs ist besonders heimtückisch: “Er bleibt lange asymptomatisch, was zu sehr späten Diagnosen und deshalb zu einem geringen Behandlungserfolg führt”, sagt Dr. Marcos Gelos vom Alfried Krupp Krankenhaus und der Universität Witten/Herdecke, der die neue Studie mit dem Chemiker Prof. Dr. Dariush Hinderberger von der MLU geleitet hat. 9 von 10 Patientinnen und Patienten versterben nach der Erstdiagnose innerhalb von fünf Jahren. Gleichzeitig sei es sehr schwierig, bösartige und gutartige Pankreastumoren zu unterscheiden. Der einzige Laborwert, den man hierzu zurate ziehen könne, sei mangelhaft, da er beispielsweise auch bei einer chronisch entzündeten Bauchspeicheldrüse anschlägt, so Gelos. Selbst bildgebende Verfahren und die Analyse von Gewebeproben würden häufig keine eindeutige Unterscheidung erlauben.
Gelos und Hinderberger suchten deshalb nach einem Biomarker im menschlichen Blut, der als eine Art Frühwarnsystem fungieren könnte. “Wichtig ist dabei, dass das gewünschte Molekül sehr häufig im Körper vorkommt und nicht direkt vom Tumor stammt, weil wir es sonst erst zu spät finden würden”, sagt Hinderberger. Die Wahl fiel auf das Protein Albumin, das in großen Mengen im Blut vorkommt und von dem bekannt ist, dass verschiedene Tumoren seine Funktionsweise im Körper auf unterschiedliche Weise verändern können. Albumin ist unter anderem dafür zuständig, essentielle Fettsäuren in die Zellen zu transportieren. Da für die Funktionsweise eines Proteins seine räumliche Struktur entscheidend ist, sollten sich bei kranken Menschen kleine Strukturänderungen in dem Protein finden lassen, so die Idee der Forschenden.
Mittels der sogenannten Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (EPR) untersuchten die Chemiker der MLU das Blutserum von Menschen mit einem gut- oder bösartigen Pankreastumor und zu Vergleichszwecken auch Proben von gesunden Menschen. Insgesamt wurden so knapp 80 Proben analysiert. Anstelle einer kompletten Strukturanalyse des Proteins untersuchte das Team der MLU dabei die Fähigkeit des Proteins, Fettsäuren an sich zu binden. Von normalem Albumin ist bekannt, dass es sieben Fettsäuren an exakt definierten Stellen binden kann. “Wir haben im Labor spezielle Fettsäuren mit Sonden ausgestattet, deren Bewegung sich mittels der EPR nachvollziehen lässt. Diese Fettsäuren haben wir dann in unterschiedlicher Konzentration in die Lösung mit dem Albumin gegeben”, so Hinderberger. Auf diese Weise konnten die Forschenden rekonstruieren, an welchen Stellen wie viele Fettsäuren im Albumin gebunden werden, wie die direkte Umgebung der Bindungsstellen beschaffen ist und die Abstände zwischen den Fettsäuren bestimmen. “So ließ sich ein sehr genaues Bild der räumlichen Struktur und Dynamik des Proteins bei der Arbeit erstellen”, so Hinderberger.
Tatsächlich gab es ab einem bestimmten Mengenverhältnis von Fettsäuren spezifische Unterschiede zwischen den einzelnen Patientengruppen: Die Abstandsmuster und die lokale Umgebung der Fettsäuren waren bei den Patienten mit Krebs etwas anders als bei denen mit einem gutartigen Tumor und unterschieden sich auch von denen gesunder Patienten. “Die strukturellen Veränderungen waren zwar extrem klein. Die Unterschiede sind aber trotzdem ausreichend, um die Proben voneinander zu unterscheiden, ob es sich beispielsweise um einen bösartigen oder einen gutartigen Tumor handelt,” fasst Hinderberger zusammen. Der genaue Mechanismus, wie der Tumor die Struktur von Albumin verändert, ist noch nicht bekannt. Noch ist die Studie der Forschenden aus Halle und Essen nur ein vielversprechender Ansatz. Bis zu einem möglichen Einsatz in der Klinik werden noch Jahre oder Jahrzehnte vergehen. Zunächst müsste das Verfahren zum Beispiel mit deutlich mehr Proben evaluiert und weiter verfeinert werden. Für Gelos ist der Ansatz für den klinischen Alltag vielversprechend: “Wenn es mit Hilfe des Verfahrens gelingen würde, gutartige Tumoren von bösartigen Krebserkrankungen zu unterscheiden, wäre schon viel erreicht.”
Originalpublikation:
Haeri H. et al. Identification of Patients with Pancreatic Cancer by Electron Paramagnetic Resonance Spectroscopy of Fatty Acid Binding to Human Serum Albumin. ACS Pharmacology & Translational Science (2020). Doi: 10.1021/acsptsci.0c00116
https://pubs.acs.org/doi/full/10.1021/acsptsci.0c00116
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
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