Gestörtes Gleichgewicht hemmt Leukämie



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27.05.2024 16:22

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Gestörtes Gleichgewicht hemmt Leukämie

Entzündungen können die Krebsausbreitung fördern, eine überschießende Entzündungsreaktion kann aber auch zum Zelltod von Tumorzellen führen. Welcher Mechanismus hinter diesem Balanceakt steht, beschreibt eine Marburger Forschungsgruppe im Fachblatt „Nucleic Acids Research“ anhand einer akuten Leukämie.

Akute Leukämien gehören zu den aggressivsten Tumorerkrankungen, die man beim Menschen kennt. Bei etwa 80 Prozent aller akuten Leukämien von Erwachsenen handelt es sich um akute myeloische Leukämie (AML). Darunter versteht man eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems, die mit einer ungehemmten Vermehrung unreifer Zellen im Knochenmark und im Blut einhergeht. „Entzündungen spielen eine entscheidende Rolle beim Fortschreiten der AML, aber eine übermäßige Aktivierung zelleigener Entzündungswege kann auch den Zelltod von Krebszellen auslösen“, erklärt der Marburger Biochemiker Dr. Robert Liefke vom Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung der Philipps-Universität Marburg, der Leitautor des Fachaufsatzes.

Wenn Leukämie nicht behandelt wird, verläuft sie oft innerhalb weniger Wochen tödlich; daher ist eine genaue Kenntnis der molekularen Ursachen erforderlich, um Ansatzpunkte für Therapien zu finden. Wie das präzise Gleichgewicht zwischen aktivierenden und hemmenden Mechanismen bei AML zustande kommt, steht seit einiger Zeit im Fokus der medizinischen Forschung.

Die fachübergreifende Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Krebsforschung, molekularer Zellbiologie und Biochemie gehört zu den Stärken der Marburger Naturwissenschaften und Medizin. Diesen Vorteil machte sich Liefke zunutze, indem er Fachleute aus dem Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung, aus dem Marburger Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie, dem Zentrum für Tumorbiologie und Immunologie sowie dem Institut für molekulare Onkologie zusammenbrachte.

Viele zelluläre Abläufe beruhen darauf, dass mehrere Proteine zusammenarbeiten. Auch die Entstehung von Krebs hängt von solchen Wechselwirkungen ab. Das Marburger Team nahm sich das entzündungsrelevante Protein IRF2BP2 vor, von dem man weiß, dass es an AML beteiligt ist. Die Forschungsgruppe experimentierte mit Leukämiezellen in Zellkultur, bei denen sie nach Wechselwirkungen des Proteins mit anderen Molekülen suchte. Wie das Team herausfand, interagiert IRF2BP2 mit zwei weiteren Proteinen, die als Paar vorliegen, nämlich ATF7/JDP2. Dieses Proteinpaar trägt dazu bei, Gene in AML-Zellen anzuschalten, die Entzündungen hervorrufen.

Welche Funktion übernimmt IRF2BP2 beim Zusammenspiel von Entzündung und Krebsentwicklung? Um diese Frage zu klären, legte das Team das Protein in AML-Zellen still. „Der Verlust von IRF2BP2 führt dazu, dass Gene überaktiviert werden, die Entzündungen fördern – und bewirkt dadurch, dass die Entwicklung der Krebszellen stark gehemmt wird“, berichtet Liefke von den Ergebnissen der Experimente.
„Ein präzises Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Hemmung entzündlicher Prozesse schafft eine krebsfördernde Umgebung“, fasst der Biochemiker zusammen. „Daher bietet IRF2BP2 in der Verbindung mit ATF7/JDP2 einen therapeutischen Angriffspunkt bei akuter myeloischer Leukämie.“

Die Lebens- und Naturwissenschaften gehören zu den Forschungsschwerpunkten der Philipps-Universität Marburg. Der Biochemiker Dr. Robert Liefke leitet eine Nachwuchsgruppe am Marburger Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung. Neben weiteren Forscherinnen und Forschern der Marburger Hochschulmedizin beteiligte sich Dr. Ignasi Forné vom Biomedizinischen Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München an der Veröffentlichung.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Deutsche José-Carreras-Leukämie-Stiftung, die Fritz-Thyssen-Stiftung und der Open-Access-Publikationsfonds der Philipps-Universität Marburg unterstützten die Veröffentlichung finanziell.
Originalveröffentlichung: Sabrina Fischer & al.: IRF2BP2 counteracts the ATF7/JDP2 AP-1 heterodimer to prevent inflammatory overactivation in acute myeloid leukemia (AML) cells, Nucleic Acids Research 2024, DOI: https://doi.org/10.1093/nar/gkae437

Weitere Informationen:
Ansprechperson: Dr. Robert Liefke,
Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung
Tel.: 06421 28-66697
E-Mail: liefke@staff.uni-marburg.de


Bilder

Das Modell zeigt den Komplex der Proteine ATF7, JDP2 und IRF2BP2, der an DNA gekoppelt ist.

Das Modell zeigt den Komplex der Proteine ATF7, JDP2 und IRF2BP2, der an DNA gekoppelt ist.
Dr. Robert Liefke
Das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW