16.07.2021 14:29
Hohe Bereitschaft zur Spende von Gesundheitsdaten
In der Covid-19-Pandemie sind viele Menschen bereit, ihre Gesundheitsdaten für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wichtiges Ergebnis einer Studie des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. Die Forschenden haben die persönliche Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer zur Corona-Datenspende-App des Robert-Koch-Instituts untersucht und daraus Empfehlungen für die Entwicklung von Technologien abgeleitet, die bei zukünftigen Krisen zum Einsatz kommen sollen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mehr als 500.000 Menschen haben die Corona-Datenspende-App des Robert-Koch-Instituts bislang heruntergeladen, die eine frühzeitige Identifikation von Covid-19-Hotspots ermöglichen soll. Die Bereitschaft, persönliche Gesundheitsdaten für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung zu stellen, erwies sich dabei als überraschend hoch. Die Arbeitsgruppe Mensch-Technik Interaktion am Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen hat die Motivation der Nutzerinnen und Nutzer untersucht, indem sie mehr als 10.000 Erfahrungsberichte auswertete und ausführliche individuelle Befragungen von Usern durchführte.
Entgegen bisherigen Erfahrungen mit anderen Projekten aus der Gesundheitsforschung geben die App-Nutzer auch dann ihre Daten für die Forschung frei, wenn sie keinen direkten Nutzen für sich selbst sehen. Offenbar genügt in diesem Fall der Anreiz, einen Beitrag zur Bewältigung eines großen gesellschaftlichen Problems zu leisten. Während den meisten Nutzerinnen und Nutzern das Ziel der App – die frühzeitige Erkennung von Corona-Hotspots – bewusst war, konnten sie den persönlichen Wert ihrer Datenspende nicht nachvollziehen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass für die Nutzerinnen und Nutzer das Gemeinwohl die vorherrschende Motivation war. Viele Anwenderinnen und Anwender ließen sich auch nicht von technischen Problemen entmutigen, die einen negativen Einfluss auf die Erfahrung hatten. Sie warteten auf Fehlerbehebungen und unterstützten sich gegenseitig. Einige äußerten sogar Unverständnis, warum sie nicht noch zusätzliche persönliche Daten eingeben können, die ihnen für das Projekt nützlich erscheinen.
Lehren für zukünftige Projekte der wissenschaftlichen Bürgerbeteiligung
Für künftige vergleichbare Projekte, die auf Datenspenden von Bürgerinnen und Bürgern für das Gemeinwohl setzen, heben die Forscherinnen und Forscher die Bedeutung von Kommunikation, Transparenz und Verantwortung hervor. „Bewährt hat sich zum Beispiel die Unterstützung der Corona-Datenspende-App durch die Bundesregierung und das Robert-Koch-Institut“, erklärt Professor Johannes Schöning. Es sei ratsam, dass offizielle Institutionen solche Projekte der wissenschaftlichen Bürgerbeteiligung („citizen science“) aktiv unterstützen und ihren Nutzen für die Gesellschaft klar kommunizieren.
Um den persönlichen Anteil aller einzelnen Teilnehmenden und ihre direkten Vorteile zu verdeutlichen, sollten Informationen allerdings auch auf individueller Ebene kommuniziert werden, beispielsweise durch regelmäßige Benachrichtigungen in der App. Auch der Aufbau einer Community, die sich bei Fragen gegenseitig unterstützt, ist nach Angaben der TZI-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ratsam. Um technische Probleme zu vermeiden und die Entwicklung zu beschleunigen, sollten vorhandene Gesundheits-Apps genutzt und durch krisenspezifische Technologien ergänzt werden. So ist die Corona-Datenspende-App beispielsweise mit verschiedenen Firness-Apps verbunden.
„Wir glauben, dass unsere Ergebnisse auf Projekte übertragbar sind, die unter vergleichbaren Bedingungen durchgeführt werden“, sagt Schöning, „zum Beispiel, wenn staatliche Akteure großflächige Gesundheitskrisen bekämpfen müssen.“
Gefördert wurde die Studie von der Lichtenbergprofessur der Volkswagenstiftung, dem BMWi-Netzwerk KI-SIGS, dem BMBF-Projekt InviDas und dem Leibniz WissenschaftsCampus Digital Public Health Bremen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Johannes Schöning
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI)
Universität Bremen
Telefon: +49 218-63591
E-Mail: schoening@uni-bremen.de
Originalpublikation:
https://arxiv.org/abs/2101.04913
Weitere Informationen:
http://hci.uni-bremen.de Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion des TZI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch