In Rain Man’s Synapsen: Molekulare Konsequenzen von Autismus-Mutationen im SHANK3-Gen aufgeklärt



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28.06.2021 13:10

In Rain Man’s Synapsen: Molekulare Konsequenzen von Autismus-Mutationen im SHANK3-Gen aufgeklärt

Ein internationales Forscherteam um Dr. Michael R. Kreutz und Dr. Marina Mikhaylova vom Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg (LIN), dem Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH) und der Humboldt-Universität Berlin sowie Dr. Eunjoon Kim vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) hat die Auswirkungen von Mutationen im Autismus-Risikogen SHANK3 auf molekularer Ebene entschlüsselt. Das Projekt wurde im Wettbewerbsverfahren der Leibniz-Gemeinschaft gefördert und ist im Fachjournal Elife publiziert.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Im Road Movie „Rain Man“ von 1988 spielte Dustin Hoffmann in einer seiner Paraderollen einen inselbegabten Autisten, angelehnt an das Leben des bekanntesten Savants, Kim Peek. Autismus ist eine komplexe Entwicklungsstörung des Gehirns, die mit Besonderheiten in der Wahrnehmung und Bewertung von Sinnesreizen einhergeht. Autistischen Menschen fällt es schwer, mit anderen Menschen zu kommunizieren und sozial zu interagieren, sie flüchten sich oft in stereotype Verhaltensmuster und haben manchmal auch kognitive Probleme oder Inselbegabungen.

Am Entstehen von Autismus können genetische Mutationen beteiligt sein. Die betroffenen Genprodukte sind wichtige Proteine in den Synapsen des Gehirns, wie das SHANK3-Molekül. SHANK3 ist ein Gerüst-Protein, welches viele Bindungsstellen für andere Proteine enthält und als eine Art Master-Organizer für die postsynaptische Proteinmaschinerie fungiert: Es verknüpft Transmitterrezeptoren, Signalmoleküle und das Zytoskelett und ist unverzichtbar für die präzise Arbeit der Synapsen.

Welche Auswirkungen haben die bei autistischen Patienten gefundenen Mutationen auf die Funktionsweise des SHANK3-Proteins? Michael Bucher, ein Doktorand in den Arbeitsgruppen von Michael R. Kreutz und Marina Mikhaylova hat in enger Zusammenarbeit mit dem Labor von Kim vom südkoreanischen Advanced Institute of Science and Technology für zwei dieser Mutationen die defekten Proteine mittels Gentechnik nachgebaut und ihre Struktur analysiert. Mit biophysikalischen Verfahren konnte das Forscherteam nachweisen, dass die Mutationen zu Veränderungen in der dreidimensionalen Proteinstruktur führen, die weitreichende Konsequenzen haben: Die mutierten SHANK3-Proteine gelangen in den Nervenzellen weniger in die Synapsen, wodurch die synaptische Funktion gestört wird.

„Wir konnten sehen, dass die Mutationen SHANK3 so veränderten, dass es die Ordnung und Dynamik der Proteine in erregenden Synapsen nicht mehr organisieren konnte. Damit haben wir molekular entschlüsselt, warum bei Patienten, die diese Mutationen tragen, Störungen in den synaptischen Verknüpfungen entstehen, die z.B. für die kognitiven Symptome verantwortlich sein könnten“, so Michael Bucher, Erstautor der Studie. Im nächsten Schritt sollen die mutierten Autismus-Risikoproteine nun in Mäusen untersucht werden, um die Auswirkungen auf das Verhalten direkt zu analysieren.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Michael Kreutz


Originalpublikation:

https://elifesciences.org/articles/66165


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW