Magnetische schwergewichtige Sterne brauchen Gesellschaft



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28.03.2023 10:11

Magnetische schwergewichtige Sterne brauchen Gesellschaft

Forschende des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), der Europäischen Südsternwarte (ESO) und des Kavli-Instituts und des Instituts für Physik des MIT haben entdeckt, dass Magnetfelder in Mehrfachsternsystemen mit mindestens einem schweren, heißen blauen Stern viel häufiger vorkommen als bisher von Fachleuten angenommen. Die Ergebnisse verbessern erheblich das Verständnis massereicher Sterne und ihre Rolle als Vorläufer von Supernovaexplosionen.

Blaue, so genannte O-Typ-Sterne gehören zu den massereichsten Sternen in unserem Universum mit einer Masse von mehr als dem 18-fachen unserer Sonne. Zwar sind sie selten, aber so heiß und leuchtstark, dass vier der 90 hellsten von der Erde aus sichtbaren Sterne zu dieser Kategorie gehören. Sie sind von außerordentlicher Bedeutung, weil sie energiereiche physikalische Prozesse in Gang setzen, die die Struktur ganzer Galaxien beeinflussen und die Regionen zwischen den Sternen chemisch anreichern. In diesen Bereichen mit aktiver Sternentstehung, wie den Spiralarmen einer Galaxie, oder in Galaxien, die gerade kollidieren oder verschmelzen, findet man normalerweise O-Typ-Sterne. Solche massereichen Sterne sind für magnetische Studien von besonderem Interesse, da sie ihre Entwicklung explosionsartig als Supernova beenden und ein kompaktes Objekt wie einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch als Überrest hinterlassen.

Doppelsterne sind Systeme aus zwei Sternen, die durch die Schwerkraft aneinander gebunden sind und sich gegenseitig umkreisen. Wenn beide Komponenten Sterne vom Typ O sind, kann das Doppelsternsystem zu einem kompakten Objekt werden. Am Ende ihres Lebens erzeugen sehr massereiche Sterne ein Schwarzes Loch, während die weniger massereichen Sterne vom Typ O als Neutronensterne enden, wenn sie als Supernova “sterben”. Aus den Doppelsternen können also zwei Neutronensterne, ein Neutronenstern und ein Schwarzes Loch oder zwei Schwarze Löcher entstehen. Die Umlaufbahnen dieser Objekte verringern sich durch die Emission von Gravitationswellen und können von Gravitationswellendetektoren beobachtet werden.

Wie die Sonne haben auch massereiche Sterne stellare Winde – einen energiereichen Strom von geladenen Teilchen. Dieses Plasma reagiert auf das Magnetfeld des Sterns. Dadurch entsteht eine Struktur, eine Magnetosphäre, die alle Sterne und Planeten mit Magnetfeldern besitzen, einschließlich der Erde, die dadurch vor energiereicher kosmischer Strahlung geschützt ist. Das Plasma, das sich mit Tausenden von Kilometern pro Sekunde bewegen kann, ist dabei extremen Zentrifugalkräften ausgesetzt. Eine wissenschaftliche Theorie ist, dass dieser magnetische Mechanismus die eng gebündelte Explosion massereicher Sterne verursacht, und damit für langanhaltende Gammastrahlenausbrüche, Röntgenblitze und andere Phänomene in Zusammenhang mit Supernovae von Bedeutung ist.

Eine theoretische Erklärung für den Einfluss von Magnetfeldern auf Supernovae oder lang andauernde Gammastrahlenausbrüche wurde zwar schon vor Jahrzehnten vorgeschlagen, aber seither wurde nur von elf Sternen vom Typ O berichtet, die Magnetfelder aufweisen. Mit Ausnahme eines Sterns handelte es sich bei allen um Einzelsterne oder weite Doppelsterne. Diese Tatsache war sehr rätselhaft, da frühere Studien gezeigt hatten, dass über 90 % der Sterne vom Typ O in Mehrfachsystemen mit zwei oder mehr Sternen entstehen. In der Tat waren viele Astronominnen und Astronomen über die relativ geringe Anzahl von Magnetfeldnachweisen bei massereichen Sternen verwirrt, da sie einige der beobachteten physikalischen Eigenschaften von Mehrfachsystemen nicht interpretieren konnten, ohne die Wirkung eines Magnetfeldes zu berücksichtigen.

Um diese Diskrepanz zu beheben, führten die Autorinnen und Autoren der neuen Studie eine magnetische Untersuchung durch, bei der sie archivierte spektropolarimetrische Beobachtungen von Sternsystemen mit mindestens einer Komponente vom Typ O verwendeten. Die Spektropolarimetrie misst die Polarisation des Lichts, die Aufschluss über das Vorhandensein eines Magnetfelds in einem Stern gibt. Sie verwendeten Daten der hochauflösenden Spektropolarimeter HARPS, das am 3,6-Meter-Teleskop der ESO auf La Silla/Chile installiert ist, und ESPaDOnS am Canada-France-Hawaii-Teleskop auf Mauna Kea. Um die Daten zu analysieren, entwickelten sie ein spezielles, ausgeklügeltes Verfahren zur Messung des Magnetfeldes.

„Zu unserer Überraschung zeigten die Ergebnisse eine sehr hohe Häufigkeit des Magnetismus in diesen Mehrfachsystemen. In 22 der 36 untersuchten Systeme wurden definitiv Magnetfelder nachgewiesen, während nur drei Systeme keinerlei Anzeichen eines Magnetfeldes aufwiesen“, erklärt Dr. Silva Järvinen, Wissenschaftlerin in der Abteilung Sternphysik und Exoplaneten am AIP. „Die große Anzahl von Systemen mit magnetischen Komponenten gibt Rätsel auf, deutet aber wahrscheinlich darauf hin, dass die Tatsache, dass diese Sterne sich als Doppelsternsysteme entwickelt haben, eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Magnetfeldern in massereichen Sternen spielt, und zwar durch Wechselwirkungen zwischen den Systemkomponenten, wie z. B. Massentransfer zwischen den Sternen oder sogar durch eine Verschmelzung zweier Sterne. Diese Arbeit ist auch die erste Beobachtungsbestätigung für das zuvor vorgeschlagene theoretische Szenario, wie das Magnetfeld eines Sterns seinen Tod beeinflusst und eine schnellere und heftigere Supernovaexplosion verursacht“, fährt Dr. Swetlana Hubrig fort.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Silva Järvinen, 0331 7499 448, sjarvinen@aip.de
Dr. Swetlana Hubrig, 0331 7499 225, shubrig@aip.de


Originalpublikation:

S Hubrig, S P Järvinen, I Ilyin, M Schöller, R Jayaraman, Are magnetic fields universal in O-type multiple systems?, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2023.
DOI: https://doi.org/10.1093/mnras/stad730


Weitere Informationen:

https://www.aip.de/de/news/magnetic-heavy-stars-need-company/


Bilder

In der Simulation stellen die weißen Linien die Magnetfeldlinien dar, die die Magnetosphäre bilden. Die Magnetpole befinden sich oben und unten. Je heller die Farbe des abgebildeten Gases, desto höher die Dichteverteilung.

In der Simulation stellen die weißen Linien die Magnetfeldlinien dar, die die Magnetosphäre bilden.

AIP/M. Küker


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW