12.05.2020 13:02
Marines Abfallmanagement: Effizientes Recycling durch marine Mikroorganismen
Erst vor einigen Jahren wurden einzellige Mikroorganismen der Gruppe der Thaumarchaeen in der Wassersäule des Ozeans entdeckt. Forschende des Biologiezentrums der Tschechischen Akademie der Wissenschaft aus Budweis, des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie Bremen haben nun herausgefunden, dass diese Mikroorganismen eine signifikante Menge des marinen Kohlenstoffs und Phosphats wiederverwerten und als gelöste organische Substanzen in den Ozean abgeben. Die Ergebnisse zur wichtigen Rolle dieser kleinsten Lebewesen in marinen Stoffkreisläufen hat das Team nun in Science Advances veröffentlicht.
Der ökologische Erfolg der marinen Thaumarchaeen besteht in ihrer Fähigkeit, kleinste Konzentrationen von Ammoniak als Energiequelle zu veratmen. Sie können also Energie aus anorganischen Stoffen gewinnen. Diese Energie nutzen sie, um Kohlenstoff im Wasser zu binden und ohne Licht neue Biomasse zu produzieren. Der als Nitrifikation bezeichnete Prozess ist ein wichtiger Bestandteil des globalen Nährstoffkreislaufs. Dabei wird die chemische Energie recycelt, die von Meeresalgen bei der Photosynthese als Abfall entsteht. Das Wissenschaftlerteam hat nun quantitativ bestimmen können, wie viel Ammoniak Thaumarchaeen brauchen, um neue Biomasse zu bilden. Die Forschenden haben dafür radioaktiv markierte Substrate eingesetzt.
„Thaumarchaeen sind in allen Bereichen des Ozeans aktiv, und durch ihre enorme Anzahl leisten sie einen unglaublich hohen Beitrag in den globalen Kreisläufen von Kohlenstoff und Stickstoff“, sagt Travis Meador, der für die Durchführung der Studie am MARUM von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. „Wieviel anorganischer Kohlenstoff durch diese so genannten Nitrifizierer gebunden wird, hängt maßgeblich von der Menge an organischem Stickstoff ab, der bei der Photosynthese entsteht.“
Ammoniak in kleinen Mengen reicht schon aus
Das im Ozean vorkommende Ammonium beziehungsweise Ammoniak wird größtenteils während des Abbaus von organischer Biomasse gebildet. Ammonium stellt eine notwendige Nahrungs- und Energiequelle für sämtliche marine Lebensformen dar. Physiologische und biochemische Studien an Modellorganismen der Art Nitrosopumilus maritimus haben bereits gezeigt, dass marine Thaumarchaeen durch einzigartige Enzym- und Transportsysteme perfekt an die geringen Nährstoffbedingungen der Ozeane angepasst sind. „Diese Anpassungen machen die Ammoniak-oxidierenden Thaumarchaeen zum wohl besten Energieverwerter der Ozeane, in denen sie ihre bakteriellen Gegenspieler übertrumpfen und ihre eigene ökologische Nische bilden“, sagt Travis Meador. „Man vermutet, dass der Großteil an organischem Stickstoff, der in die dunklen Bereiche des Ozeans transportiert wird, durch Thaumarchaeen unter Verbrauch von Sauerstoff in Nitrat umgewandelt wird. Wie diese Kreisläufe funktionieren, wird seit Jahrzehnten untersucht. Mit der aktuellen Studie konnten wir jetzt zum ersten Mal die Verknüpfung der Nitrifizierung mit globalen Kohlenstofffixierungsraten darstellen.“ Unter Kohlenstofffixierung versteht man den Umwandlungsprozess von anorganischem Kohlenstoff in organische Verbindungen durch lebende Organismen.
Ergebnisse helfen, mathematische Modelle zu verbessern
In der dunklen Tiefsee haben Thaumarchaeen eine wichtige Funktion innerhalb der chemischen Stoffflüsse inne. Es gibt aber zahlreiche Belege dafür, dass sie sogar häufiger in der lichtdurchfluteten Zone der Ozeane vorkommen. In diesen Bereichen wird bereits ein Großteil der sinkenden Biomasse der Photosynthese betreibenden Organismen abgebaut und dementsprechend viel Ammoniak produziert. Dort schwankt aber auch die Konzentration eines weiteren Schlüsselnährstoffs stark: des Phosphats. In der neuen Studie diskutieren die Wissenschaftler darum, ob also tatsächlich das verfügbare Phosphat als essentieller Nährstoff die Aktivität und somit das effiziente Recycling der Thaumarchaeen kontrolliert.
Aus der Studie geht außerdem hervor, dass diese marinen Archaeen einen Teil ihrer organischen Syntheseprodukte als gelöste organische Substrate ausscheiden. „Die Menge ist zwar relativ gering im Vergleich zum riesigen Reservoir des Ozeans, aber es ist hier leichter zugänglich“, erklärt Meador. Die hier beschriebenen Stoffwechsel-Leistungen von marinen Archaeen können nun in mathematische Modelle eingerechnet werden, um die Nährstoffkreisläufe des Ozeans besser zu verstehen und die unterschiedlichen Nitrifikationsraten innerhalb der Ozeane zu erklären.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. habil. Martin Könneke
DFG-Heisenberg-Gruppe „Biologie mariner Archaeen“
Telefon: 0421 218-65747
E-Mail: mkoenneke@marum.de
Originalpublikation:
Travis B. Meador, Niels Schoffelen, Timothy G. Ferdelman, Osmond Rebello, Alexander Khachikyan, Martin Könneke: Carbon recycling efficiency and phosphate turnover by marine nitrifying archaea. Science Advances 2020. DOI: 10.1126/sciadv.aba1799
Weitere Informationen:
http://www.marum.de/Martin-Koenneke.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
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