12.11.2020 17:00
Mit Methan als Nahrungsquelle setzen Bakterien giftiges Arsen frei
Forschungsteam der Universität Tübingen entdeckt bisher unbekannten Mechanismus, der in Vietnam eine wichtige Rolle bei der natürlichen Verunreinigung des Grundwassers spielt
Giftiges Arsen belastet großflächig Flüsse und Grundwasser in vielen südostasiatischen Ländern wie Bangladesch und Vietnam. Es wird durch die Aktivität von Mikroorganismen freigesetzt, über deren Nahrungsquellen jedoch bisher wenig bekannt war. Ein Team aus der Geomikrobiologie der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Andreas Kappler wies kürzlich nach, dass die Arsen freisetzenden Bakterien ihre Nahrung in den tieferen Bodenschichten finden und nicht von der Wasseroberfläche zum Beispiel aus Algen oder Pflanzen beziehen. Nun entdeckte das Team, dass neben den an Sedimenten abgelagerten organischen Stoffen Methangas als Nahrungsquelle eine wichtige Rolle bei der Freisetzung des Arsens durch Bakterien spielt. Damit lässt sich die hohe Ar-senkonzentration des Wassers in vielen Gebieten Südostasiens besser als bisher erklären. Die neue Studie erscheint in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment.
Arsenhaltige Eisenminerale, die ursprünglich aus den Bergen des Himalajas stammen, finden sich heute in den Sedimenten unter der Oberfläche vieler Flussdeltas in Südostasien. Diese Grundwassersedimente beherbergen verschiedene Verbände von Mikroorganismen, die das giftige Arsen durch Auflösung der Eisenminerale abgeben. „Nach unserer vorherigen Studie gingen wir davon aus, dass sie Stoffwechsel und Wachstum durch organische Ablagerungen an den Sedimenten aufrechterhalten“, sagt die Doktorandin Martyna Glodowska.
Hohe natürliche Gaskonzentration
Versuchsgebiet ist ein mit Arsen verseuchtes Grundwassersystem in Van Phuc, einem Dorf 15 Kilometer südöstlich von Hanoi in Vietnam. „Dort konnten wir eine hohe Konzentration von Methan beobachten, das von Mikroorganismen produziert wird. An manchen Stellen ist die Methankonzentration so hoch, dass das Gas aus dem Wasser an die Oberfläche sprudelt“, berichtet Andreas Kappler. Methan bildet den Hauptbestandteil von Erdgas und wird als Biogas in Industrie und Haushalten vielfach zur Energiegewinnung eingesetzt. „Das brachte uns auf die Idee, dass auch die Arsen freisetzenden Mikroorganismen es nutzen könnten“, berichtet Glodowska, die Erstautorin der neuen Studie.
Mithilfe von Experimenten im Tübinger Labor, bei denen dem Sediment aus Vietnam Methan zugesetzt wurde, konnte das Forschungsteam diese Annahmen bestätigen. „Damit haben wir einen Mechanismus entdeckt, über den es zur Arsenanhäufung kommen kann“, sagt Kappler. „Unter der Wasseroberfläche produzieren Mikroorganismen Methan, das anderen Mikroben, sogenannten Methanfressern, die Energie liefert, um die Eisenminerale aufzulösen und dabei Arsen abzuscheiden.“
Eine vergleichende Analyse von Wassersystemen weltweit offenbarte, dass viele von ihnen große Mengen Methan wie auch eine weite Verbreitung von Methan erzeugenden und verbrauchenden Mikroorganismen aufweisen. „Daher könnte die Mobilisierung von Arsen durch Methan fressende Bakterien ein wichtiger Mechanismus für die Arsenverseuchung zahlreicher Gebiete sein“, sagt der Wissenschaftler. Ein wichtiger Schritt sei getan mit der Identifizierung von Methan als Nahrungsquelle, meint auch Glodowska. Nun müsse erhoben werden, welchen Umfang dieser Weg der Ar-senanhäufung unter natürlichen Bedingungen annimmt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Kappler
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften
Telefon +49 7071 29-74992
andreas.kappler[at]uni-tuebingen.de
Originalpublikation:
Glodowska, M., Stopelli, E., Schneider, M., Rathi, B., Straub, D., Lightfoot, A., Kipfer, R., Berg, M., Advects, Jetten, M., Kleindienst, S., Kappler, A. (2020) Arsenic mobilization in groundwater driven by microbial iron-dependent anaerobic oxidation of methane. Nature Communications Earth & Envi-ronment, https://doi.org.10.1038/s43247-020-00037-y.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch