04.01.2021 22:37
Nicht invasive Pränataltests: IQWiG-Versicherteninformation für die selbstbestimmte Entscheidung
Nicht invasive Pränataltests: IQWiG-Versicherteninformation für die selbstbestimmte Entscheidung
Nach Nutzertestung und Anhörung – überarbeitete zweiteilige Versicherteninformation unterstützt Schwangere bei der Entscheidung, ob vorgeburtliche Untersuchungen und wenn ja welche für sie sinnvoll sein könnten.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Kombination Ibrutinib plus Rituximab ist zur Therapie Erwachsener mit bislang nicht behandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) zugelassen. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, welche Vor- und Nachteile diese Wirkstoff-Kombination für die Patientinnen und Patienten hat. Demnach gibt es für Betroffene, die auch mit der Chemo-Immuntherapie FCR behandelt werden könnten, einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen gegenüber dieser zweckmäßigen Vergleichstherapie. Für Patienten, bei denen FCR oder eine andere Chemo-Immuntherapie wegen eines schlechteren Allgemeinzustands nicht infrage kommt, liegen keine Studiendaten vor. Ein Zusatznutzen ist daher nicht belegt.
Studiendaten nur zu einer von drei Fragestellungen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat drei Gruppen von Patientinnen und Patienten unterschieden. Für die erste – und zugleich größte – besteht die zweckmäßige Vergleichstherapie aus Fludarabin + Cyclophosphamid + Rituximab (FCR). Diese Chemo-Immuntherapie wird in der Regel nur bei einem guten Allgemeinzustand gegeben. Für die zweite Gruppe kommt FCR nicht infrage, wohl aber eine andere Chemo-Immuntherapie. In der dritten Gruppe sind Chemo-Immuntherapien generell nicht angezeigt, etwa wegen des Mutationsstatus der Betroffenen. Hier besteht die zweckmäßige Vergleichstherapie aus Ibrutinib alleine.
Nur zu der Frage, ob Ibrutinib plus Rituximab den Betroffenen der ersten Patientengruppe einen Zusatznutzen gegenüber FCR bietet, hat der Hersteller in seinem Dossier Daten vorgelegt. Sie stammen aus der noch laufenden Studie ECOG-E1912, die er nicht selbst durchführt, aber auch schon in seinem Zulassungsantrag herangezogen hat. Für die vorliegende Bewertung sind die Daten von etwa 40 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer relevant.
Gesamtüberleben verlängert
Bei Patientinnen und Patienten, für die eine FCR-Therapie infrage kommt, zeigt sich für das Gesamtüberleben ein Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen. In der Endpunktkategorie Nebenwirkungen gibt es für die Gesamtrate der schweren Nebenwirkungen und für die Abbrüche wegen Nebenwirkungen jeweils einen Anhaltspunkt für einen geringeren Schaden, einmal geringen und einmal beträchtlichen Ausmaßes. Bei den schweren und den nicht schwerwiegenden / nicht schweren Nebenwirkungen zeigen sich überwiegend positive Effekte. Zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität liegen keine Ergebnisse vor.
In der Gesamtschau gibt es für Patientinnen und Patienten mit nicht vorbehandelter CLL, für die eine Therapie mit FCR infrage kommt, einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen von Ibrutinib plus Rituximab gegenüber FCR. Für die übrigen Betroffenen liegen keine Daten vor, sodass ein Zusatznutzen gegenüber der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie hier nicht belegt ist.
Vielversprechende Therapieoption
„Damit steht einer relativ großen Gruppe von Menschen mit chronischer lymphatischer Leukämie nun eine Chemotherapie-freie Behandlungsalternative offen, die einen klaren Überlebensvorteil mit sich bringt“, so Volker Vervölgyi aus dem Ressort Arzneimittelbewertung des IQWiG. „Das ist erfreulich, denn in den bisherigen frühen Nutzenbewertungen für unbehandelte CLL haben wir gegenüber FCR noch keinen Zusatznutzen gesehen.“
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.
Originalpublikation:
https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/arzneimittelbewertung/2020/…
Weitere Informationen:
https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/2020/ibrutinib-mit-rituximab-b…
Ergänzung vom 04.01.2021
Pressemitteilung korrigiert:
Im September 2019 entschied der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), dass ein nicht invasiver Pränataltest (NIPT) in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden soll. Der Bluttest kommt infrage, wenn werdende Eltern den Verdacht abklären lassen möchten, dass ihr Ungeborenes eine Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), eine Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) oder eine Trisomie 21 (Down-Syndrom) hat.
Damit der NIPT wirklich nur in begründeten Fällen eingesetzt wird und seine Grenzen realistisch eingeschätzt werden, beauftragte der G-BA das IQWiG mit der Entwicklung einer Versicherteninformation, die zukünftig verpflichtend eingesetzt werden soll.
Jetzt hat das IQWiG seinen Abschlussbericht veröffentlicht, der die Versicherteninformation enthält und das Vorgehen der Erstellung dokumentiert. Im Vergleich zu den im März 2020 im Vorbericht vorgelegten Fassungen einer Kurzinformation und einer ausführlicheren Broschüre erfolgten eine Reihe von Änderungen, die sich insbesondere aus den konstruktiven Stellungnahmen ergaben.
Auf Grundlage der Stellungnahmen wurde zum Beispiel die Beschreibung von Behinderung überarbeitet, Beratungsmöglichkeiten stärker hervorgehoben und es erfolgt eine deutlichere Trennung zwischen der „Entscheidung vor einer Untersuchung“ und der „Entscheidung nach einem auffälligen Befund“.
Zweiteilige Information zur Unterstützung der ärztlichen Beratung
Die neue Fassung der Versicherteninformation hat eine umfangreiche Testung mit 800 Frauen und 200 Männern zwischen 20 und 45 Jahren durchlaufen. Ergebnis: Sowohl die Kurzinformation als auch die ausführlichere Broschüre stießen auf sehr hohe Akzeptanz. Die Materialien seien (sehr) gut, verständlich und vertrauenswürdig.
Die Versicherteninformation des IQWiG möchte Frauen dabei unterstützen, eine eigenständige, informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie überhaupt eine vorgeburtliche genetische Untersuchung durchführen lassen möchten. Keine Frau dürfe dazu gedrängt werden, betont das IQWiG.
Interessiert sich eine Schwangere für pränataldiagnostische Untersuchungen, so ist die Ärztin / der Arzt verpflichtet, die Frau umfassend über die Möglichkeiten zu beraten. Dabei hat die ärztliche Aufklärung und Beratung über die Bedeutung und die Tragweite der Untersuchung (und deren mögliche Befunde) ergebnisoffen und in verständlicher Form zu erfolgen.
In dieser Phase der Beratung kann die zweiteilige Versicherteninformation auch für Ärztinnen und Ärzte eine Unterstützung sein: Das Faltblatt gibt einen allgemeinen Überblick über häufig angebotene pränataldiagnostische Untersuchungen.
Eine getrennte Broschüre mit dem Titel „Bluttest auf Trisomien – ja oder nein?“ informiert umfassender über den nicht invasiven Bluttest. Darin wird zunächst ausführlich erläutert, was Trisomien sind, wie häufig sie vorkommen und was ein Kind mit einer Trisomie für das Familienleben bedeuten kann. Anschließend erläutern die IQWiG-Autorinnen und Autoren, was genau ein nicht invasiver Pränataltest ist, wie die Testergebnisse zu interpretieren sind und wie zuverlässig der NIPT ist. Da der NIPT nur in bestimmten Situationen sinnvoll ist, kann diese getrennte Broschüre gezielt eingesetzt werden.
„Der NIPT darf nicht überschätzt werden“, warnt Klaus Koch, Leiter des IQWiG-Ressorts Gesundheitsinformation: „Damit eine Schwangere ihre Entscheidungen treffen kann, ist es wichtig, gut zu vermitteln, welche Fragen der Test beantworten kann und welche nicht.“
Zum Ablauf der Berichterstellung
Der G-BA hat das IQWiG im März 2017 mit der Erstellung einer Versicherteninformation zur Pränataldiagnostik beauftragt. Die Erstellung konnte nach dem G-BA-Beschluss im September 2019 fortgesetzt werden. Der Vorbericht der Versicherteninformation zur Pränataldiagnostik wurde im Februar 2020 an den G-BA versandt und im März 2020 veröffentlicht. Bis Ende Mai 2020 konnten schriftliche Stellungnahmen eingereicht werden, Ende August 2020 fand zudem eine mündliche Erörterung zum Vorbericht statt. Auf Grundlage der Stellungnahmen wurden die Materialien überarbeitet und einer abschließenden Nutzertestung unterzogen. Beides ist im Abschlussbericht dokumentiert. Der Beschluss des G-BA zur Versicherteninformation ist für 2021 geplant.
Originalpublikation korrigiert:
https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/gesundheitsinformation/p17-…
Weitere Informationen korrigiert:
https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/2020/nicht-invasive-praenatalt…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch