Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnitt: Mutter und Kind optimal schützen



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22.12.2020 09:16

Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnitt: Mutter und Kind optimal schützen

In der Zeitschrift «Antimicrobial Resistance and Infection Control» publiziert heute ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Universitätsspitals Bern die bisher grösste, multizentrische Studie zur Frage des optimalen Schutzes von Mutter und Kind bei Kaiserschnitt-Geburten. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Mutter keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist, wenn Antibiotika nach der Abnabelung statt vor dem Schnitt verabreicht werden. Für das Neugeborene entsteht damit ein erheblicher Vorteil, da eine potentielle Belastung durch Antibiotika ausgeschlossen werden kann.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Bei Kaiserschnitt-Geburten werden gemäss Schweizerischen und internationalen Guidelines, inklusive den WHO-Empfehlungen, seit Jahrzehnten weltweit der Mutter vor dem Schnitt Antibiotika verabreicht. Dies geschieht zum Schutz vor allfälligen, nachgeburtlichen Infektionen. Der grosse Nachteil: Bei dieser Methode gelangen Antibiotika zum Neugeborenen. Damit ist eine mögliche Beeinträchtigung des Mikrobioms im Darm des Neugeborenen verbunden.
Bisher grösste Studie
In der vorliegenden, weltweit grössten Studie zu diesem Thema wurden in 75 Spitälern der Schweiz zwischen 2009 und 2018 total 55 901 Kaiserschnitte ausgewertet. Die Beziehung zwischen dem Zeitpunkt der antimikrobiellen Prophylaxe vor dem Schnitt bis zur Abnabelung und dem Eintreten einer Infektion in Bereich des Bauchschnittes wurde untersucht. Verglichen wurden 26 405 Eingriffe mit Antibiotikagabe vor dem Hautschnitt und 29 496 Eingriffen mit Antibiotikaprophylaxe nach der Kindsabnabelung. Insgesamt 846 Wundinfektionen wurden festgestellt. Erstautor PD Rami Sommerstein betont: «Die Studie ist in Bezug auf die Zeitdauer und den Umfang gut fundiert. Die Ergebnisse sind klar: Es konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Methoden festgestellt werden.»

Keine Nachteile für die Mutter – Vorteile für das Kind
Diese Resultate können weitreichende Auswirkungen auf die Praxis des Kaiserschnittes haben. Der Schutz der Darmflora des Neugeborenen ist von grösster Bedeutung für zahlreiche Aspekte seiner Entwicklung. Eine Beeinträchtigung des Mikrobioms durch Antibiotikagabe kann Auswirkungen zum Beispiel auf die Entwicklung des Immunsystems oder auf die Hirnentwicklung zur Folge haben. Aufgrund der hier vorgestellten, neuen Forschungsergebnisse wird es möglich, dieses Risiko erheblich zu vermindern. Prof. Jonas Marschall, Mitglied von Swissnoso und Chefarzt an der Universitätsklinik für Infektiologie am Inselspital, Universitätsspital Bern hält fest: «Die Antibiotikagabe nach der Abnabelung hat aufgrund der Studienergebnisse keine Nachteile für die Mutter, verbessert die Situation für das Neugeborene jedoch erheblich.»

Welche Folgen haben die Ergebnisse der Studie?
Die Studienergebnisse sind als robust anzusehen. Die Studie lief zehn Jahre und umfasste eine ansehnliche Stichprobenzahl. Es gab wenige Ausfälle und die Qualität der erhobenen Daten war dank einem rigorosen Validierungssystem sehr hoch. Die statistische Auswertung lieferte somit zuverlässige Daten. «Es ist davon auszugehen», folgert Prof. Daniel Surbek, «dass aufgrund der Studienergebnisse die gängige Praxis der Antibiotikaprophylaxe beim Kaiserschnitt künftig weltweit angepasst werden wird.»


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

• Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Chefarzt und Co-Direktor Klinik für Frauenheilkunde am Inselspital, Universitätsspital Bern, Vorstandsmitglied SGGG, gynécologie suisse
• Prof. Dr. med. Jonas Marschall, Chefarzt Universitätsklinik für Infektiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Mitglied Swissnoso
• PD Dr. med. Rami Sommerstein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Universitätsklinik für Infektiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Leiter Forschung und Entwicklung Swissnoso


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1186/s13756-020-00860-0


Anhang

attachment icon Medienmitteilung Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnitt


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW