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31.07.2024 11:02
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Reparaturmechanismus oder Krebsvorstufe?
Stammzellen der Schleimhäute der Atemwege genauer beleuchtet
Unsere Haut, aber auch unsere Schleimhäute, verfügen über Stammzellen. Diese sind in der untersten Zellschicht angesiedelt und regenerieren die (Schleim-)Haut durch Zellteilung und die Weiterentwicklung in verschiedene Zelltypen. 2018 wurde eine neue Stammzellart, die sogenannten Hillock-Zellen (Deutsch: Hügelzellen) entdeckt, wobei ihre Funktion bisher weitestgehend unbekannt war.
Dr. Brian Lin, der unter anderem am Massachusetts General Hospital in Boston forscht und bei dem PD Dr. Constantin Hintschich von der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Regensburg aktuell eine Postdoc-Fellowship absolviert, konnte nun diese Hillock-Zellen weiter charakterisieren und die Ergebnisse im international renommierten Fachmagazin Nature veröffentlichen.
Dabei wurde gezeigt, dass sich Hillock-Zellen deutlich von den bisher bekannten Stammzellen unterscheiden: Sie sind äußerst widerstandsfähig gegenüber Schäden durch Giftstoffe, Infektionen, Säuren und physikalische Verletzungen. Zudem besitzen sie – gerade nach diesen Schädigungen – eine deutlich höhere Fähigkeit zur Zellteilung, was bedeutet, dass sie die Atemwege großflächig regenerieren können. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Zellen squamös sind, also verhornt, und sich somit grundlegend von den sonstigen Zellen der Atemwege unterscheiden. Bisher wurde eine squamöse Metaplasie, also ein Umbauprozess zu diesen verhornten Zellen, als Vorstufe eines Bronchialkarzinoms angesehen. Da squamöse Hillock-Zellen jedoch auch bei vollkommen gesundem und nicht vorgeschädigtem Gewebe nachgewiesen werden konnten, legen die Ergebnisse von Lin et al. eine andere Hypothese nahe: Die bei Probeentnahmen häufig gefundenen squamösen Zellen sind Hillock-Zellen, die eine Zellpopulation zur Regeneration der Schleimhaut darstellen und wahrscheinlich nicht als Vorstufen eines Bronchialkarzinoms anzusehen sind. Jedoch sind weitere Studien notwendig, um den Zusammenhang zwischen Hillock-Zellen, Reparaturmechanismen der Schleimhaut der Atemwege und der Pathogenese von Bronchialkarzinomen genauer zu untersuchen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. med. Constantin Hintschich
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Universitätsklinikum Regensburg
E-Mail: constantin.hintschich@klinik.uni-regensburg.de
Originalpublikation:
Lin, B., Shah, V. S., Chernoff, C., Sun, J., Shipkovenska, G. G., Vinarsky, V., Waghray, A., Xu, J., Leduc, A. D., Hintschich, C. A., Surve, M. V., Xu, Y., Capen, D. E., Villoria, J., Dou, Z., Hariri, L. P., & Rajagopal, J. (2024). Airway hillocks are injury-resistant reservoirs of unique plastic stem cells. Nature, 629(8013), 869-877.
https://doi.org/10.1038/s41586-024-07377-1
Bilder
Immunhistochemische Färbung der Luftröhre zeigt Hillock-Zellen in magenta und grün.
Brian Lin, Department of Developmental, Molecular & Chemical Biology, Tufts University, Boston
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch