Teilen:
24.04.2024 17:01
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus: Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern
Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Die Studie im Fachmagazin „Nature” liefert Ansatzpunkte für neue Krebs-Immuntherapien, und könnte bestehende Behandlungen effektiver machen. Eine zweite Arbeit in „Nature” bestätigt die Erkenntnisse.
Bei Krebserkrankungen bremsen Tumore oft die Immunabwehr des Körpers aus. Sie können beispielsweise dafür sorgen, dass Immunzellen Krebszellen nicht als Bedrohung wahrnehmen oder sie inaktiv machen. Immuntherapien zielen darauf ab, diese Mechanismen auszuhebeln und das Immunsystem, insbesondere die T-Zellen, zu stimulieren. Bei einer großen Zahl an Betroffenen schlagen solche Therapien allerdings nicht an. Weltweit suchen Forschende nach den Ursachen und neuen Gegenstrategien.
Botenstoff stoppt Weiterentwicklung von T-Zellen im Tumor
Ein Team um Dr. Jan Böttcher, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Immunologie der TUM, und Prof. Sebastian Kobold, stellvertretender Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie am LMU Klinikum München, hat jetzt herausgefunden, dass Tumore mit einem Botenstoff Immunzellen in einer frühen Phase der Immunantwort beeinflussen. Viele Krebszellen schütten verstärkt den Botenstoff Prostaglandin E2 aus. Die Forschenden konnten nachweisen, dass Prostaglandin E2 an EP2 und EP4, zwei Rezeptoren auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen bindet.
Diese sogenannten stammzellartigen T-Zellen, wandern aus anderen Bereichen des Körpers in den Tumor. Bei einer erfolgreichen Immunantwort vermehren sie sich dort und entwickeln sich zu zytotoxischen T-Zellen weiter, die den Krebs attackieren. „All das wird ausgebremst, wenn Tumore Prostaglandin E2 ausschütten und dieses an die Rezeptoren EP2 und EP4 bindet“, sagt Jan Böttcher. „Die T-Zell-Antwort kollabiert gewissermaßen und der Tumor kann ungehindert wachsen.“ Verhinderten die Forschenden in Tumormodellen die Interaktion von Botenstoff und Rezeptor, konnte das Immunsystem Tumore effektiv bekämpfen.
Bisherige Therapien setzen an späterem Punkt der Immunantwort an
„Wir haben einen Mechanismus entdeckt, der die Immunabwehr des Körpers in einer entscheidenden Phase beeinflusst“, sagt Jan Böttcher. „Viele Tumore verhindern so, dass sich aus den stammzellartigen T-Zellen überhaupt zytotoxische T-Zellen im Tumor bilden, die den Krebs attackieren könnten.”
Aktuelle Immuntherapien setzen darauf, die Abschaltung von Immunantworten durch den Krebs erst an einem späteren Punkt der Immunantwort zu verhindern. Checkpoint-Inhibitor-Therapien haben beispielsweise zum Ziel, die Blockade von fertig ausdifferenzierten zytotoxischen T-Zellen zu lösen und diese wieder „scharfzuschalten“. Bevor die gefürchtete T-Zell-Erschöpfung einsetzt, die andere Forschende zu verhindern versuchen, müssen ebenfalls ausdifferenzierte T-Zellen vorhanden sein.
Effektivität bestehender Therapien lässt sich steigern
„Heutige Behandlungsansätze würden vermutlich effektiver, wenn die Auswirkungen des Prostaglandin E2 auf stammzellartigen T-Zellen blockiert würde, so dass sich diese sich ungehindert im Tumor ausdifferenzieren können“, sagt Sebastian Kobold.
Das gilt nicht zuletzt für Ansätze aus der jüngsten Vergangenheit, die darauf setzen, T-Zellen mit dem Protein IL-2 anzuregen. Die aktuelle Studie zeigt, dass T-Zellen sobald das Prostaglandin E2 an die beiden Rezeptoren bindet, nicht mehr auf IL-2 reagieren. „Wir vermuten, dass sogar körpereigene IL-2-Signale ausreichen können, um T-Zellen erfolgreich gegen Krebs vorgehen zu lassen, sobald die Auswirkungen des Prostaglandin-E2 gestoppt sind“, sagt Sebastian Kobold.
Zweite Studie in „Nature“ bestätigt Ergebnisse
In „Nature“ ist eine zweite Forschungsarbeit erschienen, in der die Auswirkungen von Prostaglandin E2 auf das Immunsystem untersucht werden. Die Autor:innen des Artikels, Forschende des Universitätsklinikums Lausanne, kooperierten hierfür mit dem Münchner Team. Sie untersuchten unter anderem im Labor T-Zellen aus menschlichen Tumorgewebeproben. Blockierten sie die Ausschüttung von Prostaglandin E2 in dem Gewebe, vermehrten sich die T-Zellen stärker und konnten dadurch menschliche Krebszellen effektiver bekämpfen.
Suche nach Gegenstrategien beginnt
„Wir haben nun einen konkreten Ansatzpunkt, um Immuntherapien deutlich zu verbessern”, sagt Jan Böttcher. „Jetzt müssen Forschende weltweit Strategien entwickeln, um die Verteidigung der Tumore auszuhebeln. Wir müssen die Effekte von Prostaglandin E2 stoppen – sei es, indem wir Tumore davon abhalten, das Molekül zu bilden, oder indem wir Immunzellen dafür unempfänglich machen.“
Publikationen:
S.B. Lacher, J. Dörr, G. P. de Almeida, J. Hönninger, F. Bayerl, A. Hirschberger, A.-M. Pedde, P. Meiser, L. Ramsauer, T.J. Rudolph, N. Spranger, M. Morotti, A. J. Grimm, S. Jarosch, A. Oner, L. Gregor, S. Lesch, S. Michaelides, L. Fertig, D. Briukhovetska, L. Majed, S. Stock, D.H. Busch, V.R. Buchholz, P.A. Knolle, D. Zehn, D. Dangaj Laniti, S. Kobold, J.P. Böttcher, “Prostaglandin E2 curtails interleukin-2-dependent effector expansion from tumour infiltrating stem-like CD8+ T cells to promote cancer immune escape”. Nature (2024). DOI: 10.1038/s41586-024-07254-x.
M. Morotti, A.J. Grimm, H. Carrasco Hope, M. Arnaud, M. Desbuisson, N. Rayroux, D. Barras, M. Masid, B. Murgues, B.S. Chap, M. Ongaro, I.A. Rota, C. Ronet, A. Minasyan, J. Chiffelle, S.B. Lacher, S. Bobisse, C. Murgues, E. Ghisoni, K. Ouchen, R. Bou Mjahed, F. Benedetti, N. Abdellaoui, R. Turrini, P.O. Gannon, K. Zaman, P. Mathevet, L. Lelievre, I. Crespo, M. Conrad, G. Verdeil, L. E. Kandalaft, J. Dagher, J. Corria-Osorio, M.-A. Doucey, P.-C. Ho, A. Harari, N. Vannini, J.P. Böttcher, D. Dangaj Laniti, and G. Coukos. ” PGE2 inhibits TIL expansion by disrupting IL-2 signalling and metabolism”. Nature (2024). DOI: 10.1038/s41586-024-07352-w.
Weitere Informationen:
Die Studie wurde gefördert durch das Elitenetzwerk Bayern, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Wilhelm-Sander Stiftung und das Internationale Doktorandenkolleg i-Target: Immunotargeting of Cancer.
Zusatzinformationen für Redaktionen:
• Fotos zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/1740626
• Diese Meldung auf tum.de: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/tumorzell…
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Jan Böttcher
Technische Universität München
Institut für Molekulare Immunologie
Tel. +49 89 4140 4453
j.boettcher@tum.de
https://www.imi.med.tum.de/
Kontakt im TUM Corporate Communications Center:
Paul Hellmich
Pressereferent
Tel. +49 89 289 22731
presse@tum.de
www.tum.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Jan Böttcher
Technische Universität München
Institut für Molekulare Immunologie
Tel. +49 89 4140 4453
j.boettcher@tum.de
https://www.imi.med.tum.de/
Originalpublikation:
Lacher, Dörr, et al. “Prostaglandin E2 curtails interleukin-2-dependent effector expansion from tumour infiltrating stem-like CD8+ T cells to promote cancer immune escape”. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07254-x .
Morotti, Grimm, et al., “PGE2 inhibits TIL expansion by disrupting IL-2 signalling and metabolism”. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07352-w .
Bilder
Viele Tumore schütten Prostaglandin E2 aus. So verhindern sie, dass sich stammzellartige T-Zellen zu …
Astrid Eckert / TUM
Astrid Eckert / TUM / Verwendung frei für die Berichterstattung über die TUM bei Nennung des Copyrights
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch