12.07.2021 17:39
Weniger Herzinfarktbehandlungen im Lockdown
Während des ersten Corona-Lockdowns wurden im Großraum Augsburg 44 Prozent weniger Herzinfarktbehandlungen durchgeführt als im gleichen Zeitraum vor der Pandemie. Dies haben Forschende am Lehrstuhl für Epidemiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg berechnet. Als Hauptgrund hat sich Angst vor einer möglichen Ansteckung herauskristallisiert.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Hatten die erste Coronawelle und der daraufhin verhängte Lockdown im Frühjahr 2020 Einfluss auf die Behandlung anderer Gesundheitsprobleme? Für die Versorgung von akuten Herzinfarkten währen des ersten strikten Lockdowns lässt sich ein signifikanter Rückgang um 44 Prozent nachweisen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die am Lehrstuhl für Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg durchgeführt wurde.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Jakob Linseisen analysierten dafür Daten aus dem Augsburger Herzinfarktregister. Das Register erfasst in Augsburg und den zwei angrenzenden Landkreisen alle in Kliniken behandelten Herzinfarkte
Vom Rückgang der Herzinfarktbehandlungen um 44 Prozent im Lockdown waren alle Infarkttypen gleichermaßen betroffen: bei Männern wie bei Frauen, bei älteren und bei jüngeren Menschen.
Angst vor Ansteckung
Zusätzlich zu den Registerdaten wurden ein Teil der Herzinfarkt-Patienten und -Patientinnen zu wahrgenommen Stressfaktoren vor und nach dem Infarkt befragt. Angst vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus und der Belastung im Gesundheitssystem wurde als wichtigste Stressquelle genannt, könnte also ein Grund für das Absinken der in einer Klinik behandelten und somit registrierten Herzinfarkte sein.
Nach der Lockerung der Beschränkungen im ersten Lockdown stieg die Zahl der akuten Herzinfarktfälle in den Kliniken im Zeitraum von 20. April bis 21.Mai 2020 wieder an, lag allerdings immer noch um 17 Prozent unter dem Wert aus der Vor-Corona-Zeit.
Schnell behandeln
„Es ist von großer Wichtigkeit, bei Herzinfarktsymptomen so schnell wie möglich ärztliche Hilfe anzufordern. Bis zum Beginn der Behandlung darf nicht viel Zeit vergehen. Dies gilt selbstverständlich auch in Zeiten einer Pandemie. Die Angst vor einer Ansteckung darf nicht dazu verleiten, andere gesundheitliche Beschwerden nicht ernst zu nehmen“, appelliert Frau Prof. Meisinger, die das Herzinfarktregister Augsburg leitet.
Die Ergebnisse der Studie sind kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift European Journal of Epidemiology veröffentlicht worden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jakob Linseisen
Medizinische Fakultät der Universität Augsburg
Lehrstuhlinhaber Epidemiologie
Telefon: 0821/598-6471
E-Mail: jakob.linseisen@med.uni-augsburg.de
Originalpublikation:
Schmitz T, Meisinger C, Kirchberger I, Thilo C, Amann U, Baumeister SE, Linseisen J. Impact of COVID-19 pandemic lockdown on myocardial infarction care. Eur J Epidemiol. 2021 Jun 6. doi: 10.1007/s10654-021-00764-2. Epub ahead of print. PMID: 34091769.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34091769/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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