Astrozyten im Fokus der Epilepsieforschung



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25.01.2021 16:10

Astrozyten im Fokus der Epilepsieforschung

Neurobiologie: Veröffentlichung im Journal der Society for Neuroscience

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ein Teil der Epilepsiepatienten spricht nicht auf die bislang verfügbaren Medikamente an. Ein deutsch-japanisches Team unter Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) untersuchte einen bisher noch wenig für die Epilepsietherapie beachteten Zelltyp im Gehirn. Dass möglicherweise die Astrozyten ein neuer Ansatzpunkt sind, beschreiben sie aktuell im Journal der amerikanischen Society for Neuroscience.

Bei einem epileptischen Anfall entladen sich plötzlich und synchron eine große Zahl von Nervenzellen im Gehirn. Diese Überaktivität führt oft zu unwillkürlichen starken Bewegungsstörungen, das heißt zu einem einzelne Muskelgruppen, oft aber auch große Teile des Körpers betreffenden Krampfanfall. Andere Formen können sich in einer kurzen Bewusstseinspause äußern.

Bei rund zwei Drittel der Betroffenen gelingt es, Epilepsieanfälle medikamentös weitestgehend in den Griff zu bekommen. Aber ein Drittel der an Epilepsie leidenden Patienten spricht nicht auf die verfügbaren Medikamente an. Für diese Patienten sind neue therapeutische Strategien notwendig.

Prof. Dr. Christine Rose und ihr Doktorand Jan Meyer vom Institut für Neurobiologie der HHU haben sich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Japan mit der Frage beschäftigt, welche zellulären Mechanismen zur Entstehung von Epilepsien führen. Während sich die Mehrzahl solcher Untersuchungen bislang auf Nervenzellen (Neuronen) konzentriert, fokussierte sich dieses Forschungsteam aber auf die Astrozyten, eine Klasse von Gliazellen.

Gliazellen machen rund die Hälfte aller Zellen im Gehirn aus. Es gibt verschiedene Formen von ihnen, die unterschiedliche Funktionen übernehmen. Die Astrozyten sind unter anderem für den Ionenhaushalt im Gehirn verantwortlich, spielen aber auch eine wichtige Rolle bei der direkten Signalübertragung zwischen Neuronen.

In ihrem jetzt erschienenen Paper zeigen die Forscherinnen und Forscher, dass epileptische Entladungen zu einem Anstieg des pH-Werts in den Astrozyten führen; man spricht hierbei von einer Alkalinisierung. Diese pH-Änderung stört die Kommunikation innerhalb der zellulären Astrozyten-Netzwerke. Und eine solche verminderte Kommunikation der Astrozyten scheint die epileptische Aktivität der Neuronen zu verstärken.

Diese Erkenntnis weist einen möglichen Weg zu einem neuen therapeutischen Werkzeug auf: indem mittels Medikamenten die Veränderung des pH-Werts in den Astrozyten unterbunden wird. Diese Option konnten die Forscherinnen und Forscher bei Experimenten im Tiermodell bestätigen: Tiere, die entsprechend medikamentös behandelt wurden, litten weniger stark an epileptischen Überregungen des Gehirns als unbehandelte Tiere.

Dazu Prof. Rose: „Diese Beobachtung stimmt uns hoffnungsvoll. Aber ob sie sich tatsächlich auf den Menschen übertragen lässt, muss noch untersucht werden. Und bis dann ein möglicher Wirkstoff für Patienten entwickelt werden kann, ist es noch ein sehr langer Weg.“

Die Forschungsarbeiten erfolgten in Kollaboration der HHU mit drei Universitäten in Japan (Keio University und Tokyo Medical and Dental University in Tokio, Tohoku University in Sendai) im Rahmen des „Young Glia“-Programms des von Prof. Rose koordinierten Schwerpunktprogramms SPP1757 „Funktionale Spezialisierung von Neuroglia“. Dieses Programm fördert die Zusammenarbeit deutscher und japanischer Labore. Es unterstützt insbesondere Nachwuchswissenschaftler dabei, eigene Projekte zu verwirklichen. So reiste HHU-Doktorand Meyer nach Japan und Mariko Onodera von der Tohoku University arbeitete zweimal am Düsseldorfer Institut für Neurobiologie.


Originalpublikation:

Mariko Onodera, Jan Meyer, Kota Furukawa, Yuichi Hiraoka, Tomomi Aida, Kohichi Tanaka, Kenji F. Tanaka, Christine R. Rose, and Ko Matsui, Exacerbation of epilepsy by astrocyte alkalization and gap junction uncoupling, Journal of the Society for Neuroscience, 2021

DOI: 10.1523/JNEUROSCI.2365-20.2020


Weitere Informationen:

https://www.jneurosci.org/content/early/2021/01/19/JNEUROSCI.2365-20.2020


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW