Bakterien in die Falle locken



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02.06.2021 10:03

Bakterien in die Falle locken

Forschende der ETH Zürich und der Universität Basel haben eine Impfung entwickelt, die Tiere vor krankmachenden Salmonellen schützt. Diese Bakterien entziehen sich oft der Wirkung von Impfungen, indem sie ihren Schutzmantel genetisch verändern. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, diesen Prozess zu manipulieren und damit die Bakterien in eine Falle zu locken.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Impfstoffe gegen Bakterien zu entwickeln, ist in vielen Fällen um einiges schwieriger als solche gegen Viren. Wie praktisch alle Krankheitserreger können sich Bakterien genetisch verändern, um so der Wirksamkeit der Impfstoffe zu entkommen. Bei vielen Erregern führen solche genetische Anpassungen unter dem Druck einer Impfung dazu, dass ihre Virulenz abnimmt. Die Erreger entkommen dann zwar einer Impfwirkung, jedoch zum Preis, dass sie sich weniger gut übertragen oder geringere Schäden verursachen. Manche Krankheitserreger, und dazu gehören auch viele Bakterien, sind hingegen ausgesprochen gut darin, sich so zu verändern, dass sie gleichzeitig der Wirkung einer Impfung entkommen (Immunevasion) und dennoch hochinfektiös bleiben.
Für Wissenschaftler, welche Impfstoffe entwickeln, ist diese Immunevasion seit Jahrzehnten ein grundsätzliches Problem. Möchten sie Impfstoffe gegen krankmachende Bakterien entwickeln, merken sie oft schnell, dass diese wirkungslos werden.

Immunevasion nutzen

Forschende der ETH Zürich und der Universität Basel nutzten nun allerdings genau diesen Mechanismus, um dennoch mit einer Impfung gegen Bakterien vorzugehen. So ist es ihnen gelungen, einen Impfstoff gegen Salmonellen zu entwickeln, der die Darmbakterien zwar nicht zum Verschwinden bringt, sie jedoch weniger schädlich macht.
«Wir konnten so zeigen, dass Immunevasion nicht bloss eine grosse Herausforderung der Impfstoffentwicklung ist, sondern dass man sie gezielt zum Vorteil von Tieren und Menschen einsetzen kann», erklärt ETH-Professorin Emma Slack. «Man kann damit die Evolution von krankmachenden Mikroorganismen in eine bestimmte Richtung – in unserem Fall in eine Sackgasse – lenken.» Slack hat die Studie, an der viele Forschende aus unterschiedlichen Gruppen der ETH Zürich und weiterer Institutionen mitgearbeitet haben, zusammen mit ETH-Professor Wolf-Dietrich Hardt sowie Médéric Diard, Professor am Biozentrum der Universität Basel, geleitet.

Kombinationsimpfstoff führt zum Ziel

In ihrer Studie impften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mäuse mit einer Reihe von leicht unterschiedlichen Vakzinen gegen Salmonella typhimurium, und sie beobachteten, wie sich die Salmonellen im Darm der Tiere genetisch veränderten, um der Impfwirkung zu entkommen. So konnten die Forschenden das ganze Spektrum an möglichen Immunevasions-Mutationen bei Salmonella typhimurium ermitteln. Schliesslich stellten die Forschenden einen Kombinationsimpfstoff her aus vier Salmonellen-Stämmen, welcher das ganze Spektrum an genetischen Ausweichmöglichkeiten der Bakterien abdeckte.

Als Immunevasions-Reaktion auf diesen Kombinationsimpfstoff entwickelten sich überraschenderweise Salmonellen, bei denen ein wichtiges Oberflächenmolekül verkümmert war. Diese Bakterien waren zwar immer noch in der Lage, sich im Darm der Tiere zu vermehren, doch sie konnten nur noch schlecht in Körpergewebe eindringen und Krankheiten verursachen. Der Grund dafür ist, dass das Oberflächenmolekül Teil eines Schutzmantels der Bakterien ist, der sie vor Abwehrreaktionen der Wirtstiere schützt sowie vor Viren, welche die Bakterien häufig befallen und abtöten. In Tests in Mäusen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ihr neuer Impfstoff Salmonellenerkrankungen wirksamer verhindert als existierende und für den Einsatz in Schweinen und Hühnern zugelassene Impfstoffe.

Die Wissenschaftler planen nun, nach demselben Prinzip Impfstoffe gegen andere Mikroorganismen zu entwickeln – zum Beispiel gegen Antibiotika-resistente Bakterienstämme. Ausserdem ist es denkbar, den Ansatz biotechnologisch zu nutzen, um Mikroorganismen mithilfe des erzeugten Selektionsdrucks durch Impfung gezielt zu verändern.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Fabio Bergamin, fabio.bergamin@ethz.ch


Originalpublikation:

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2021/06/bakterien-in-d…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW