28.09.2021 10:43
Bilder des Partners können Schmerzen lindern
Experimentelle Studie von Psychologinnen der Justus-Liebig-Universität Gießen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Ein Blick in das Gesicht des Partners kann dabei helfen, Schmerz leichter zu ertragen. Dies ist das Ergebnis einer experimentellen Studie von Psychologinnen der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Wie die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christiane Hermann in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie zudem festgestellt hat, hat das Lächeln eines Unbekannten einen ähnlichen schmerzlindernden Effekt wie der neutrale Gesichtsausdruck des Partners. Die Ergebnisse haben die Autorinnen kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „PLoS ONE“ veröffentlicht.
Für die Studie haben die Wissenschaftlerinnen jungen Frauen, die in einer seit mindestens sechs Monaten bestehenden, glücklichen Partnerschaft lebten, längere schmerzhafte Hitzereize am Unterarm verabreicht und ihnen zeitgleich verschiedene Fotos gezeigt. Die Teilnehmerinnen sahen neben Bildern von ihrem Partner, der einen emotional neutralen Gesichtsausdruck zeigte, auch unbekannte Personen, die freundlich, neutral oder wütend schauten, sowie Fotos von gewöhnlichen Haushaltsgegenständen. Die Frauen wurden gebeten, die Fotos, die sie sahen, zu bewerten und die Intensität der Schmerzreize einzuschätzen.
Die Fotos der Partner und die glücklichen Gesichter der Unbekannten wurden als sehr positiv eingeschätzt, die ärgerlichen Gesichter der Unbekannten als sehr negativ. Entsprechend der Bewertung der Fotos variierte auch die empfundene Schmerzstärke der Hitzereize. Sahen die Teilnehmerinnen Fotos ihres neutral schauenden Partners oder eines lächelnden Unbekannten, nahmen sie weniger Schmerz wahr als bei Fotos von Gegenständen oder von Unbekannten, die neutral oder ärgerlich schauten. Dieser schmerzlindernde Effekt zeigte sich nicht nur in der eigenen Beschreibung der Schmerzstärke, sondern auch in der verminderten Anspannung der Gesichtsmuskeln. Gesichtsmuskeln sindn bei negativen emotionalen Zuständen – wie zum Beispiel beim Erleben von Schmerz – besonders angespannt. Bei Partnerfotos sowie bei den Fotos lächelnder Unbekannter war diese Muskelaktivität besonders gering.
Die Ergebnisse der Studie haben wegen des robusten schmerzlindernden Effekts der Bilder auch klinische Relevanz, betonen die Psychologinnen. „So könnten Bilder der Partner zu einer schmerzhaften Untersuchung oder Behandlung mitgenommen werden“, schlägt Prof. Hermann vor. „Das könnte in Fällen hilfreich sein, in denen der Partner nicht mitkommen kann oder in denen seine Anwesenheit nicht hilfreich wäre, weil er selbst in der akuten Situation zu besorgt ist.“ Ob ein ähnlicher Effekt auch bei Kindern zu beobachten ist, wird aktuell von der AG untersucht.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christiane Hermann
Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie
Telefon: 0641 99-26080/-1
Mail: Christiane.Hermann@psychol.uni-giessen.de
Originalpublikation:
Hillmer K, Kappesser J, Hermann C (2021) Pain modulation by your partner: An experimental investigation from a social-affective perspective. PLoS ONE 16(7): e0254069. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0254069
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
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