Erste Therapie gegen sehr seltene Krankheit Hyperoxalurie verfügbar



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11.05.2021 10:00

Erste Therapie gegen sehr seltene Krankheit Hyperoxalurie verfügbar

In einer internationalen Studie mit Beteiligung des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern wiesen Forschende die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lumasiran zur Behandlung von Primärer Hyperoxalurie Typ 1 nach. Damit steht erstmals eine Kausaltherapie für die sehr seltene Krankheit zur Verfügung.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die sehr seltene Krankheit «Primäre Hyperoxalurie Typ 1» (PH1) ist eine genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit, die auf den Ausfall eines Enzyms zum Abbau von Fettsäuren zurückgeht. Durch eine hohe Konzentration von Oxalsäure in Verbindung mit Calcium kommt es in der Niere – und anderen Organen – zur Bildung von Calciumoxalsäure-Kristallen (Nierensteinen). Diese können die Nierenfunktion vermindern und zu einer Niereninsuffizienz bis hin zum Ausfall der Nierenfunktion führen. PH1 tritt in vielen unterschiedlichen Formen in unterschiedlichen Altersgruppen auf und gilt als deutlich «unterdiagnostiziert». Studien schätzen die Häufigkeit von PH1 auf etwa eine betroffene Person pro 150 000 Einwohner. Bisher bestand die einzige Kausaltherapie in einer Lebertransplantation.

Lumasiran – hervorragende Resultate in der klinischen Anwendung

In der jüngst im Fachjournal New England Journal of Medicine publizierten Studie berichten die Forschenden von einer neuen Therapie, die PH1 medikamentös erfolgreich behandeln kann. Prof. Daniel Fuster vom Inselspital, Universitätsspital Bern, erläutert: «Die sehr gute Verträglichkeit und das Ausmass der Oxalsäurereduktion waren sehr positiv. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf, die meisten Patientinnen und Patienten hatten nach sechs Monaten mit Lumasiran normale Oxalsäurewerte in Blut und Urin.»

Eine gross angelegte, internationale Studie

Die Publikation entstammt der «ILLUMINATE-A-Studie», einer internationalen, randomisierten, Placebo kontrollierten Doppelblindstudie. Die Studie wurde an 16 Zentren u.a. in den USA, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz ausgeführt, wobei das Universitätsspital Bern das einzige Schweizer Zentrum war. Ziel der Studie war es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Lumasirantherapie festzustellen. Die Reduktion der nicht abgebauten Oxalsäure im Urin der untersuchten Patientinnen und Patienten stand im Zentrum.
Die Studie Schloss 39 Patientinnen und Patienten (Alter über 6 Jahre) ein. 13 Personen erhielten Placebo, 26 wurden mit Lumasiran behandelt. Nach 6 Monaten lagen die Werte für Oxalsäure im Urin der behandelten Gruppe im normalen oder fast-normalen Bereich.

Ein wirksames und verträgliches Medikament steht bereit

Die Resultate der Studie können als bahnbrechend bezeichnet werde, indem erstmals eine an den Ursachen ansetzende, wirksame und gut verträgliche Therapie zur Verfügung steht. Seit November 2020 ist Lumasiran zur Behandlung von PH1 in den USA und der EU zugelassen. In der Schweiz steht die Zulassung noch aus. Am Inselspital sind derzeit sechs Patientinnen und Patienten, darunter zwei Kinder, in Behandlung.

Nächste Schritte, Diagnosestand verbessern

Die Diagnose und Therapie braucht viel Erfahrung und ein spezialisiertes, interdisziplinäres Team. Es stehen international erst wenige Zentren zur Verfügung, die den hohen Anforderungen gerecht zu werden vermögen. Aus- und Weiterbildung wird notwendig sein, um alle Partner auf die speziellen Anforderungen vorzubereiten. Aufgrund der Teilnahme an der ILLUMINATE-A-Studie und den damit verbundenen Erfahrungen mit der Lumasirantherapie sind die Fachleute am Inselspital, Universitätsspital Bern dazu bestens gerüstet.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Daniel Fuster, Leitender Arzt Universitätsklinik für Nephrologie am Inselspital, Universitätsspital Bern und Gruppenleiter am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern

Dr. Sybille Tschumi, Leitende Ärztin, Kinderklinik, Team Nephrologie am Inselspital, Universitätsspital Bern


Originalpublikation:

Garrelfs F.S., Frishberg Y. et al. 2021 : Lumasiran, an RNAi Therapeutic for Primary Hyperoxaluria Type 1. N Engl J Med 2021;384:1216-26.
DOI: 10.1056/NEJMoa2021712


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW