11.09.2020 11:00
Erstmals weltweiter Phosphorverlust durch Bodenerosion quantifiziert
Phosphor ist für die Landwirtschaft unentbehrlich. Doch weltweit geht dieser wichtige Pflanzennährstoff zunehmend aus den Böden verloren. Hauptursache ist die Bodenerosion, wie ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Basel berichtet. Die Studie im Fachblatt «Nature Communications» zeigt, welche Kontinente und Regionen besonders stark betroffen sind.
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion hängt unmittelbar von Phosphor ab. Dieser Pflanzennährstoff ist jedoch nicht unbegrenzt vorhanden, sondern stammt aus endlichen geologischen Vorräten. Wie bald diese Vorräte erschöpft sein könnten, ist Gegenstand von wissenschaftlichen Debatten. Ebenso brisant ist jedoch die Frage, welche Staaten die verbleibenden Vorräte besitzen und welche politischen Abhängigkeiten dadurch entstehen.
Quantifizierung aus hoch aufgelösten Daten
Ein internationales Forschungsteam um Prof. Dr. Christine Alewell hat untersucht, welche Kontinente und Regionen weltweit den grössten Phosphorverlust verzeichnen. Die Forschenden kombinierten dafür räumlich hoch aufgelöste globale Daten über den Phosphorgehalt der Böden mit den jeweiligen Erosionsraten. Auf dieser Basis berechneten sie, wie viel Phosphor durch Erosion in verschiedenen Ländern verloren geht.
Ein wichtiges Fazit der Untersuchung: Über 50 Prozent des weltweiten Phosphorverlusts in der Bodenbewirtschaftung gehen auf die Bodenerosion zurück. «Dass Erosion eine Rolle spielt, war zwar bekannt. Wie gross diese ist, wurde bisher nie in dieser räumlichen Auflösung beziffert», erklärt Alewell. Bisher berichteten Fachleute hauptsächlich über Verluste durch fehlendes Recycling, Nahrungs- und Futtermittelabfall sowie generelles Missmanagement der Phosphorressourcen.
Zu wenig im Feld, zu viel im Gewässer
Erosion spült jeweils den mineralgebundenen Phosphor aus den Ackerböden in Feuchtgebiete und Gewässer, wo der Überschuss an Nährstoff (sogenannte Eutrophierung) den dort lebenden Pflanzen- und Tiergemeinschaften schadet. Über weltweit publizierte Messdaten zum Phosphorgehalt in Gewässern konnten die Forschenden ihre Berechnungen validieren: Der erhöhte Phosphorgehalt in Gewässern entspricht in der Grössenordnung jeweils dem berechneten Phosphorverlust der Böden der jeweiligen Region.
Durch mineralische Düngung lässt sich der verlorene Phosphor auf den Feldern zwar ersetzen, wozu aber nicht alle Länder gleichermassen in der Lage sind.
Während Länder wie die Schweiz dank organischen Düngern und potenziell relativ gut geschlossener Phosphorkreisläufe (siehe Box) in der Landwirtschaft Lösungen entwickeln können, verzeichnen Afrika, Osteuropa und Südamerika die grössten Verluste an Phosphor – mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. «Eigentlich ist das paradox, da Afrika über die grössten geologischen Phosphorvorkommen verfügt», so Alewell. «Der dort gewonnene Phosphor wird aber exportiert und kostet für Landwirte in Ländern Afrikas das Vielfache von dem, was beispielsweise europäische Bauern dafür bezahlen.» Auch in Osteuropa sind die Kosten ein entscheidender Faktor bei dieser Problematik.
Während Südamerika durch organische Düngung und bessere Kreislaufwirtschaft das Problem in den Griff bekommen könnte, haben Landwirte in Afrika diese Alternative nicht: Dort gebe es zu wenig Grünfutter und damit auch zu wenig Viehhaltung, um den Mineraldünger durch Mist und Jauche zu ersetzen, sagt Alewell.
Wer kontrolliert künftig die Reserven?
Wann genau der Phosphor für die weltweite Landwirtschaft zur Neige geht, ist noch unklar. In jüngerer Zeit wurden neue grosse Vorkommen in der Westsahara und Marokko entdeckt, wobei jedoch fraglich ist, wie leicht zugänglich diese Vorkommen sind. Zudem bauen China, Russland und die USA ihren Einfluss in diesen Gebieten zunehmend aus und damit auch über diese wichtige Ressource für die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Europa hat praktisch keine eigenen Phosphorvorkommen.
«95 Prozent unserer Nahrungsmittel werden direkt oder indirekt durch das Pflanzenwachstum auf Böden produziert. Der schleichende Verlust des Pflanzennährstoffs Phosphor betrifft daher alle Menschen und Gesellschaften», betont Alewell. Wenn Länder ihre Unabhängigkeit von jenen Staaten sichern wollen, die über die verbliebenen grossen Vorräte verfügen, müssen sie darauf abzielen, Phosphorverluste ihrer Böden zu minimieren.
Eine drastische Reduktion von Bodenerosion ist dabei ein wichtiger und grosser Schritt in die richtige Richtung. Landwirte können Erosion vermindern, indem sie auf möglichst lange Bodenbedeckung beispielsweise durch Mulchen, Gründüngung und Zwischensaat achten, sowie auf eine der Topografie angepasste Bewirtschaftung, beispielsweise Feldbearbeitung quer zum Hang oder Terrassierung.
Kontext: Nährstoff-Kreisläufe im Boden
Nährstoffe wie Phosphor befinden sich in der Natur in einem ständigen Kreislauf der Aufnahme aus dem Boden durch Pflanzen und der Rückkehr in den Boden: Bodenorganismen zersetzen abgestorbenes pflanzliches Material oder auch die Exkremente von Pflanzenfressern und machen die darin enthaltenden Nährstoffe wieder verfügbar. Da jedoch Feldfrüchte abgeerntet und die abgestorbenen Pflanzen nicht auf dem Acker zersetzt werden, entzieht der Landbau dem Boden nach und nach die Nährstoffe. Hinzu kommt der Phosphorverlust durch Bodenerosion.
Ersetzt werden kann Phosphor durch mineralischen (aus geologischen Ablagerungen) oder organischen Dünger oder durch den weitaus langsameren Prozess der Verwitterung aus Gesteinen. Organische Düngung durch Mist und Jauche trägt dazu bei, den Kreislauf zu schliessen, kehrt doch der Phosphor aus dem verdauten Pflanzenmaterial wieder in den Boden zurück.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christine Alewell, Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Tel. +49 152 521 845 82, E-Mail: christine.alewell@unibas.ch
Originalpublikation:
Christine Alewell, Bruno Ringeval, Cristiano Ballabio, David A. Robinson, Panos Panagos, Pasquale Borrelli
Phosphorus shortage will be aggravated by soil erosion in Europe, Africa and South America
Nature Communications (2020), doi: 10.1038/s41467-020-18326-7
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geowissenschaften, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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