02.06.2021 09:00
Forscher zeigen, wie Blutplättchen helfen, eine Lungenentzündung aufzulösen
Wissenschaftler um die Anästhesisten und Intensivmediziner Prof. Dr. Jan Rossaint und Prof. Dr. Alexander Zarbock von der Universität Münster haben herausgefunden, wie Blutplättchen mit weißen Blutkörperchen interagieren und so zum Abklingen bakterieller Lungenentzündungen bei Mäusen beitragen. Die Ergebnisse können bei der Suche nach Therapien helfen, mit denen sich Entzündungen gezielt regulieren lassen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Behandlung von Patienten mit akutem Lungenversagen stellt die Intensivmedizin immer wieder vor große Herausforderungen. Meist liegt eine Lungenentzündung zugrunde, die durch eine Infektion mit Bakterien oder – insgesamt seltener, durch die Corona-Pandemie aktuell aber häufig zu beobachten – durch eine virale Infektion ausgelöst wird. Dabei wandern Zellen des Immunsystems – die weißen Blutkörperchen – in die Lunge und bekämpfen die Erreger. Gleichzeitig verursachen sie aber auch „Kollateralschäden“ im Lungengewebe. Löst sich die Entzündungsreaktion nicht rechtzeitig wieder auf, kann eine chronische Entzündung mit dauerhafter Funktionseinschränkung der Lunge die Folge sein. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus London, Madrid und München hat ein Forschungsteam um die Anästhesisten und Intensivmediziner Prof. Dr. Jan Rossaint und Prof. Dr. Alexander Zarbock von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster jetzt neue Erkenntnisse zu zellulären Vorgängen bei bakteriellen Lungenentzündungen gewonnen: In einer Studie mit Mäusen fanden die Forschenden heraus, dass Blutplättchen und ihre Interaktion mit bestimmten weißen Blutkörperchen – den regulatorischen T-Zellen – eine bedeutende Rolle dafür spielen, dass sich die Entzündung auflöst. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Journal of Experimental Medicine“ erschienen.
Blutplättchen sind Partner regulatorischer T-Zellen und senden Signale an Fresszellen
Bereits bekannt war, dass Blutplättchen zu Beginn einer Entzündungsreaktion in der Lunge, aber auch in anderen Organen, mit neutrophilen Granulozyten zusammenarbeiten – einer Untergruppe weißer Blutkörperchen, die darauf spezialisiert ist, Krankheitserreger abzuwehren. Die Wissenschaftler zeigten nun erstmals, dass die Blutplättchen im weiteren Verlauf der Entzündung an die regulatorischen T-Zellen binden und dass dies die Voraussetzung dafür ist, dass die T-Zellen – in einer Einheit mit den Blutplättchen – in die Lunge an den Ort der Entzündung wandern. Dort sondern sie gemeinsam anti-entzündliche Botenstoffe ab, durch die Makrophagen in der Lunge neu „programmiert“ werden. Diese als Fresszellen bekannten weißen Blutkörperchen lotsen dann keine weiteren neutrophilen Granulozyten mehr an den Ort der Entzündung, sondern beseitigen die nun nicht mehr benötigten neutrophilen Granulozyten. Dies unterstützt das Abklingen der Entzündung und verhindert weitere Gewebeschäden.
Suche nach neuen Therapiekonzepten
„Wenn wir Patienten mit akutem Lungenversagen behandeln, können wir die Lungenfunktion mit verschiedenen Maßnahmen unterstützen und setzen darauf, die verursachenden Erreger beispielsweise mit Antibiotika zu bekämpfen“, erklärt Jan Rossaint. „Uns fehlen aber weitere Therapiemöglichkeiten, mit denen wir gezielt bei den Ursachen ansetzen und regulierend in den Verlauf einer Entzündung eingreifen können“. Die aktuellen Untersuchungen stellen eine Grundlage für solche Therapiekonzepte dar. In weiteren Schritten möchten die Forschenden überprüfen, ob die von ihnen bei Mäusen beobachteten Entzündungsmechanismen auch bei Menschen auftreten, und nach Ansatzpunkten suchen, um konkrete Therapien zu testen.
Förderung
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, unter anderem im Rahmen der Klinischen Forschungsgruppe 342 „Organdysfunktion im Rahmen systemischer Inflammationssyndrome“ der WWU, und erhielt weitere finanzielle Unterstützung durch die Deutsch-Israelische Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jan Rossaint
rossaint@uni-muenster.de
Tel.: +49 251 83-47256 (Sekretariat: Nicole Finocchiaro)
Originalpublikation:
Rossaint J, Thomas K, Mersmann S, Skupski J, Margraf A, Tekath T, Jouvene CC, Dalli J, Hidalgo A, Meuth SG, Soehnlein O, Zarbock A: Platelets orchestrate the resolution of pulmonary inflammation in mice by T reg cell repositioning and macrophage education. J Exp Med (2021) 218 (7): e20201353. Doi: 10.1084/jem.20201353
Weitere Informationen:
https://www.ukm.de/index.php?id=11027 Arbeitsgruppe Prof. Dr. Jan Rossaint
https://www.ukm.de/index.php?id=11229 Arbeitsgruppe Prof. Dr. Alexander Zarbock
https://kfo342.de/de/ Klinische Forschungsgruppe 342 „Organdysfunktion im Rahmen systemischer Inflammationssyndrome“ der WWU
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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