06.04.2021 11:30
Höhere ausgebrachte Toxizität gefährdet Pflanzen und Insekten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau haben nachgewiesen, dass die in der Landwirtschaft ausgebrachte Giftigkeit von Pflanzenschutzmitteln (Pestizide) für Pflanzen und Insekten erheblich zugenommen hat. In einem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe der amerikanischen Fachzeitschrift Science erscheint, zeigen die Autoren außerdem, dass dieser Anstieg auch bei genetisch veränderten Nutzpflanzen zutrifft, die eigentlich die Pestizidbelastung für die Umwelt reduzieren sollten.
„Wir haben umfangreiche Daten über die Anwendung von Pestiziden in den USA ausgewertet, die eingesetzten Pestizidmengen in Bezug zu ihrer Giftigkeit gesetzt und somit eine ‚ausgebrachte Toxizität‘ berechnet“, sagt Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Schulz, Hauptautor der Studie aus Landau. „Dadurch erhalten wir einen ganz neuen Blick auf die möglichen Risiken für Umwelt und Biodiversität, die von der Ausbringung von Pestiziden ausgehen.“
Die Gesamtmenge der eingesetzten Insektenbekämpfungsmittel (Insektizide) hat in den USA zwischen 1992 und 2016 um 40 Prozent abgenommen. Davon profitieren Fische, Säugetiere und Vögel, da diese Abnahme vor allem auf bestimmte Insektizidklassen wie Organophosphate und Carbamate zurückgeht, die für diese Gruppen problematisch sind. Jedoch zeigt sich für wirbellose Tiere, wie zum Beispiel Krebstiere oder Insekten, und besonders für Bestäuber, wie zum Beispiel Bienen, ein anderes Bild: Trotz der geringeren Insektizidmenge hat sich die ausgebrachte Toxizität für diese Gruppen zwischen 2005 und 2015 mehr als verdoppelt. Für Wirbellose in Gewässern geht dieser Anstieg auf die in sehr geringen Konzentrationen wirksamen Pyrethroide zurück, für Bestäuber auf die in den USA stark gestiegene Anwendung von Neonikotinoiden. Pyrethroide und Neonikotinoide sind aktuell häufig verwendete, hochwirksame Insektizide.
Die ausgebrachte Toxizität bei Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbizide) hat ebenso wie die eingesetzten Mengen stark zugenommen. Vor allem Pflanzen sind hier stärkeren Gefährdungen ausgesetzt. Die gleichzeitige Zunahme von Gefahren für Pflanzen und für Bestäuber, die ökologisch oftmals direkt voneinander abhängen, deutet auf besondere Pestizidrisiken hin, welche die Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten bedrohen.
Genetisch veränderte Kulturpflanzen wurden unter anderem entwickelt, um den Einsatz chemischer Pestizide deutlich reduzieren zu können. Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen nun selbst für die beiden in den USA wichtigsten genetisch veränderten Anbaupflanzen Mais und Soja, dass die ausgebrachte Toxizität chemischer Pestizide für Wirbellose in Gewässern sowie Bestäuber und Pflanzen an Land genauso stark zugenommen hat wie in der konventionellen Landwirtschaft.
Wie die Autoren der Studie anführen, sind die Ergebnisse auf viele andere Regionen der Welt mit intensiver Landwirtschaft übertragbar. Nicht immer sind aber Daten frei verfügbar, die nötig sind, um die Unterschiede in den landwirtschaftlichen Pestizidanwendungen verschiedener Länder und Regionen abzubilden. Ralf Schulz betont: „Unsere Ergebnisse stellen die Aussage einer über die Zeit sinkenden Auswirkung von Pestiziden auf die Umwelt für konventionelle und genetisch veränderte Kulturen in Frage und belegen den Bedarf für eine globale Reduktion der ausgebrachten Toxizität von Pestiziden.“
Bibliographische Information
Ralf Schulz, Sascha Bub, Lara L. Petschick, Sebastian Stehle, and Jakob Wolfram (2021): Applied pesticide toxicity shifts towards plants and invertebrates, even in GM crops. Science; https://doi.org/10.1126/science.abe1148
Ansprechpartner Presse:
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Tel.: 06131 37460-36
E-Mail: glerch@uni-koblenz-landau.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ralf Schulz
iES Landau, Institut für Umweltwissenschaften
Tel.: 06341 280-31327
E-Mail: schulz@uni-landau.de
Hintergrund: Universität Koblenz-Landau
Die Universität Koblenz Landau gehört als zweitgrößte Universität des Landes Rheinland-Pfalz zu den jüngsten Universitäten in Deutschland. Seit ihrer Gründung im Jahr 1990 hat sie sich zu einer forschungsorientierten Universität mit den Profilbereichen Bildung, Mensch und Umwelt entwickelt. Das Studienangebot reicht von den Bildungs-, Geistes-, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften über die Informatik in Koblenz bis zur Psychologie in Landau. Als einzige Universität in Rheinland-Pfalz bietet sie Lehramtsstudiengänge für alle Schularten an. Im Februar 2019 hat die rheinland-pfälzische Landesregierung beschlossen, den Campus Koblenz als eine eigenständige Universität zu etablieren und den Campus Landau mit der TU Kaiserslautern zusammenzuführen, um eine neue Technische Universität zu schaffen.
Die Zahl der Studierenden an der Universität Koblenz-Landau hat sich gegenüber den anderen Landesuniversitäten im letzten Jahrzehnt überdurchschnittlich erhöht. Inzwischen sind rund 17.000 Studierende eingeschrieben, davon etwa die Hälfte jeweils in Koblenz und in Landau. An der Universität wird knapp die Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer in Rheinland-Pfalz ausgebildet, aber auch fachbezogene und interdisziplinäre Studiengänge sind stark nachgefragt. In der Forschung hat die Universität in allen drei Profilbereichen ausgewiesene Erfolge vorzuweisen, unter anderem in koordinierten Förderprogrammen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Insbesondere im DFG-Ranking der Bildungs- und Erziehungswissenschaften belegte die Universität Koblenz-Landau den ersten Platz.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ralf Schulz
iES Landau, Institut für Umweltwissenschaften
Tel.: 06341 280-31327
E-Mail: schulz@uni-landau.de
Originalpublikation:
Bibliographische Information
Ralf Schulz, Sascha Bub, Lara L. Petschick, Sebastian Stehle, and Jakob Wolfram (2021): Applied pesticide toxicity shifts towards plants and invertebrates, even in GM crops. Science; https://doi.org/10.1126/science.abe1148
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch