26.11.2021 14:11
Human Brain Project: Jülicher Forscher erklären in Science wie die Hirnforschung das Supercomputing herausfordert
In der neuesten Ausgabe von Science erläutern Katrin Amunts und Thomas Lippert, warum Fortschritte in den Neurowissenschaften eng mit den Entwicklungen im Hochleistungsrechnen verbunden sind und letztlich Supercomputer mit Exascale-Rechenleistung benötigen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
“Um das Gehirn in seiner Komplexität zu verstehen, braucht es Erkenntnisse auf mehreren Ebenen – von der Genomik über Zellen und Synapsen bis hin zum gesamten Organ. Das geht mit sehr großen Datenmengen einher und Supercomputing wird zu einem unverzichtbaren Werkzeug, um das Gehirn zu erforschen”, sagt Katrin Amunts, wissenschaftliche Leiterin des Human Brain Project (HBP), Direktorin des C. und O. Vogt-Instituts für Hirnforschung, Universitätsklinikum Düsseldorf und Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) am Forschungszentrum Jülich.
“Es ist eine spannende Zeit für das Supercomputing”, sagt Thomas Lippert, Direktor des Jülich Supercomputing Centre und Leiter des Supercomputing im Human Brain Project. “Wir erhalten viele neue Anfragen von Forschenden aus den Neurowissenschaften, die leistungsstarke Rechner benötigen, um die Komplexität des Gehirns zu adressieren. Als Antwort darauf entwickeln wir neue Werkzeuge, die auf die Erforschung des Gehirns zugeschnitten sind.”
Das menschliche Gehirn ethält etwa 86 Milliarden Neuronen, die Billionen von Kontaktpunkte bilden. Die Abbildung eines ganzen Gehirns mit zellulärer Auflösung erzeugt Daten in der Größenordnung von mehreren Petabyte, was mehreren 10 hoch 15 Byte oder der Speicherkapazität mehrerer Tausend Festplatten entspricht; die Elektronenmikroskopie eines ganzen Gehirns würde dagegen mehr als ein Exabyte an Daten ergeben, also 10 hoch 18 Byte, was einer Steigerung um etwa den Faktor 1000 gleichkommt. “Hirnforschung, Medizin und Informationstechnologien stehen vor Herausforderungen, die nur durch die enge Zusammenarbeit aller drei Bereiche bewältigt werden können”, sagt Amunts.
In Europa wurde im Rahmen des Human Brain Project die Forschungsinfrastruktur EBRAINS aufgebaut. Sie bietet Hirnforschern eine Reihe von Werkzeugen, Daten- und Rechendiensten. Dazu gehört auch der Zugang zu Supercomputing-Systemen des FENIX-Netzwerks der EU. Dieses wurde von Europas führenden Supercomputing-Zentren als Teil des Human Brain Project eingerichtet und dient nicht nur der Hirnforschung, sondern steht Forschenden aus allen Bereichen der Lebenswissenschaften offen.
Innerhalb der nächsten fünf Jahre will Europa seine ersten beiden Exascale-Supercomputer einsetzen. Dies wird vom European High Performance Computing Joint Undertaking (EuroHPC JU) koordiniert, einer gemeinsamen Initiative der EU, europäischer Länder und privater Partner. “Die Hirnforschung steht bereit, diese Exascale-Systeme zu nutzen”, sagt Amunts.
Hintergrund: Exascale – der nächste Meilenstein im Supercomputing
Der Bau eines Supercomputers, der 10 hoch 18 Rechenoperationen pro Sekunde ausführen kann, gilt seit vielen Jahren als nächster großer Schritt im Hochleistungsrechnen. Auch am Forschungszentrum Jülich arbeitet man intensiv an neuen Technologien, die einen solchen Sprung ermöglichen. (mehr lesen: https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2020/2020-11-16-ju…)
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Katrin Amunts
Institut für Neurowissenschaften und Medizin, Bereich Strukturelle und funktionelle Organisation des Gehirns (INM-1)
Cécile und Oskar Vogt-Institut für Hirnforschung
Heinrich-Heine-Universität / Universitätsklinikum Düsseldorf
und Vorsitzende des Science and Infrastructure Board (SIB) des Human Brain Project (HBP)
Tel.: +49 2461 61-4300
E-Mail: k.amunts@fz-juelich.de
Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert
Direktor des Jülich Supercomputing Centre
Tel.: +49 2461 61-6402
E-Mail: th.lippert@fz-juelich.de
Originalpublikation:
Brain research challenges supercomputing
Katrin Amunts and Thomas Lippert
Science (published online 25 Nov 2021), DOI: 10.1126/science.abl8519
Weitere Informationen:
https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2021/fachmeldungen… Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich mit weiteren Informationen und Bildmaterial
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Informationstechnik, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch