Interkulturelle Öffnung in Medizin und Pflege: „Herausfordernde Situationen erfolgreich meistern“



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07.07.2021 13:14

Interkulturelle Öffnung in Medizin und Pflege: „Herausfordernde Situationen erfolgreich meistern“

Die Chancen und Herausforderungen von Migration werden durch interkulturelle Unterschiede bei der medizinischen und pflegerischen Arbeit besonders deutlich. Ein Forschungsteam der Charité Universitätsmedizin Berlin und der FOM Hochschule hat untersucht, ob und inwiefern zunehmende kulturelle Vielfalt die Arbeitsbedingungen einerseits und die Gesundheitsversorgung andererseits beeinflusst.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Hierfür arbeiteten die Forschenden zunächst heraus, inwiefern Migration das Gesundheitspersonal sowie die Patientinnen und Patienten betrifft. „Unser Interesse galt mitarbeiter- und organisationsbezogenen Faktoren, die dazu beitragen, interkulturell herausfordernde Situationen erfolgreich zu meistern. Unsere Überzeugung ist, dass kulturkompetentes Handeln zentrale Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Versorgung von Migranten bzw. Post-Migranten ist“, erklärt Prof. Dr. phil. Liane Schenk, die im Forschungsprojekt „Teilhabe durch soziokulturelle Öffnung? (Post-) migrantische Fachkräfte und Patient/innen im institutionellen Wandel am Beispiel von Medizin und Pflege (ToP)“ die Gesamtleitung innehatte hat und den Bereich Versorgungsforschung am Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité verantwortet.

Eine solche Untersuchung wurde erstmals so differenziert für die Bereiche Medizin und Pflege durchgeführt. Um eine weitere Vergleichsebene zu haben, haben die Forschenden Daten aus Versorgungseinheiten in Nordrhein-Westfalen sowie Berlin erhoben. „Seitens der Politik wird die dringende Notwendigkeit für kultursensible Angebote im Gesundheitswesen wahrgenommen, jedoch wird bislang noch nichts Entsprechendes angeboten. In unserem Forschungsverbund konnten wir nun Vorlagen schaffen, an denen sich Mitarbeitende für ihre Arbeit mit kulturell verschiedenen Gruppen und Personen orientieren können“, so Prof. Dr. David Matusiewicz, der das Teilprojekt am ifgs Institut für Gesundheit & Soziales der FOM geleitet hat und als Dekan auch den Hochschulbereich Gesundheit & Soziales verantwortet.

In den beiden genannten Bundesländern wurde die Studie in insgesamt acht Versorgungseinrichtungen, vier Krankenhäusern sowie vier ambulanten Pflegediensten, durchgeführt.

Parallel zu den Erhebungen aus Beobachtung, Fragebögen, Gruppendiskussionen und Interviews wurden in einem partizipativen Prozess kultursensible Interventionen in Form eines „Maßnahmenkoffers“ (Foto) entwickelt und evaluiert. Untersucht wurde, wie es sich beispielsweise auf Rettungseinsätze auswirkt, wenn das Personal über die beinhalteten Informationen verfügt. Der Einsatz des Maßnahmenkoffers wurde auf sechs Stationen zweier Krankenhäuser getestet. Neben einer Zusammenstellung von Anamnesebögen in verschiedenen Sprachen, Fragebögen, medizinischen Sprachtafeln und Piktogrammen, die in herausfordernden Kommunikationssituationen genutzt werden können, enthält er Broschüren zu vielfaltsbezogenen Aspekten, Kulturspezifika und beispielweise ganz praktische Anleitungen dazu, wie man in Berlin einen arabischsprechenden Arzt findet.

„Der Maßnahmenkoffer wurde den Krankenhausmitarbeitenden inzwischen vorgestellt und soll nun in Form eines Ordners auf den Stationen der Krankenhäuser langfristig implementiert werden. Eine digitale Version ist ebenfalls in Arbeit“, so Frau Prof. Dr. Meryam Schouler-Ocak, leitende Oberärztin der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus.

Eine erste aus dem Projekt heraus bereits generierte Publikation: Beck, P., Mratschkowski, A., Matusiewicz, D. (2020): Interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen fördert einen solidarischen Umgang, in: Das Gesundheitswesen, Thieme, Stuttgart. DOI: 10.1055/a-1236-3630, www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1236-3630.

Weitere Auswertungen der umfangreichen Datenmengen sind ebenso wie weitere Veröffentlichungen geplant.

Projektleitung:
Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité Universitätsmedizin Berlin mit Verbundleitung Prof. Dr. phil. Liane Schenk, Dr. phil. Lisa Peppler, Dr. Kaspar Molzberger, Dipl.-Soz. Pia-Theresa Sonntag, Dr. Anna Schneider, Açelya Akdemir, Dominic Bonfert und Güldeniz Şensoy

Weitere Beteiligte:
– Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus mit Prof. Dr. med. Meryam Schouler-Ocak, Dr. Zohra Khan und Sonja Radde
– ifgs Institut für Gesundheit & Soziales der FOM Hochschule mit Prof. Dr. David Matusiewicz, Patricia Beck, Laura Elsenheimer

Das Projekt „Teilhabe durch soziokulturelle Öffnung? (Post-) migrantische Fachkräfte und Patienten im institutionellen Wandel am Beispiel von Medizin und Pflege“ (FKZ 01UM1810BY) lief vom 01.02.2018 bis 31.05.2021. Es wurde im Rahmen des Programms „Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften“, Richtlinie zur Förderung der Maßnahme „Migration und gesellschaftlicher Wandel“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Union gefördert.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. David Matusiewicz, E-Mail: David.Matusiewicz@fom.de


Originalpublikation:

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1236-3630 DOI: 10.1055/a-1236-3630


Weitere Informationen:

https://www.fom-blog.de/2021/07/staerkung-gesundheitlicher-teilhabe-durch-kultur… Beitrag im Wissenschaftsblog der FOM Hochschule
https://www.fom.de/forschung/institute/ifgs/forschungsprojekte.html#!acc=teilhab… Projektbeschreibung auf ifgs-Website


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW