25.08.2022 16:36
James-Webb-Weltraumteleskop entdeckt Kohlendioxid in Exoplaneten-Atmosphäre
Das James-Webb-Weltraumteleskop liefert gleich mit dem ersten wissenschaftlichen Resultat eine Sensation: zum ersten Mal konnte in der Atmosphäre eines Planeten ausserhalb des Sonnensystems CO2 eindeutig nachgewiesen werden. Forschende der Universität Bern, der Universität Genf und des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS sind an der Studie beteiligt.
Aufgrund seiner Rolle bei der Regulierung des Klimas ist Kohlendioxid ist ein zentraler Bestandteil der Erdatmosphäre. Das Molekül in der Atmosphäre von fernen Exoplaneten eindeutig detektieren zu können, ist daher ein essenzieller Schritt bei der Suche nach lebensfreundlichen Welten. Genau dies ist einem internationalen Team von Forschenden, mit Beteiligung der Universität Bern, der Universität Genf und dem Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS dank Beobachtungen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop gelungen. Dieses wird gemeinsam von der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der Amerikanischen Weltraumbehörde NASA, und der Kanadischen Weltraumorganisation CSA betrieben und hat im Juni 2022 seine wissenschaftliche Arbeit aufgenommen. Nun werden erste Resultate im Fachmagazin Nature veröffentlicht.
Ein aufgeblähter Gasriese filtert Sternenlicht
Der Planet WASP-39b ist ein heisser Gasriese, der einen sonnenähnlichen Stern in 700 Lichtjahren Entfernung von der Erde umkreist. Im Gegensatz zu den Gasriesen in unserem Sonnensystem umkreist WASP-39b seinen Stern in einem engen Orbit – in nur etwa einem Achtel der Entfernung zwischen Sonne und Merkur – und benötigt für einen Umlauf nur etwas mehr als vier Erdentage. Durch die intensive Sonneneinstrahlung wird der Planet auf etwa 900°C aufgeheizt. «Die Hitze bewirkt, dass sich die Atmosphäre des Planeten ausdehnt und so ist WASP-39b ein Drittel grösser als Jupiter, der grösste Gasriese unseres Sonnensystems.», erklärt Monika Lendl, Mitautorin der Studie, Astronomieprofessorin an der Universität Genf und NFS PlanetS-Mitglied.
Wenn ein Planet direkt vor seinem Stern vorbeizieht, scheint ein Teil des Sternenlichts durch die Atmosphäre des Planeten, bevor es das Teleskop erreicht. «Die Atmosphäre filtert einige Farben stärker heraus als andere, je nachdem, woraus sie besteht, wie dick sie ist und ob es in ihr Wolken gibt oder nicht», so Lendl. Mit dem James Webb Teleskop können Forschende das Licht in seine Farben aufschlüsseln, um charakteristische «Fingerabdrücke» verschiedener Gase identifizieren und die Zusammensetzung der Atmosphäre bestimmen.
Erster eindeutiger Nachweis von Kohlendioxid auf einem Exoplaneten
Mit Hilfe des Nahinfrarot-Spektrographen (NIRSpec) des Webb-Teleskops konnte das Team von Forschenden den Fingerabdruck von Kohlendioxid in dem Licht, das die Atmosphäre von WASP-39b durchquerte, nachweisen. «Gleich beim ersten Anblick der Daten war klar, dass wir es mit einer spektakulären Entdeckung zu tun haben», sagt Dominique Petit dit de la Roche, Forscherin an der Universität Genf, Mitautorin der Studie und NFS PlanetS Mitglied. «Zum ersten Mal wurde Kohlendioxid eindeutig auf einem Planeten ausserhalb des Sonnensystems nachgewiesen.»
«Die Entdeckung eines so deutlichen Signals von Kohlendioxid auf WASP-39b ist ein gutes Vorzeichen. Sowohl für die Entdeckung von Atmosphären auf kleineren, erdgrossen Planeten als auch für die Messung der Häufigkeit von weiteren Gasen wie Wasser und Methan», sagte Natalie Batalha von der University of California in Santa Cruz, die Leiterin des internationalen Forschungsteams, das die Beobachtungen durchführte.
Das Verständnis der Zusammensetzung der Atmosphäre eines Planeten erlaubt auch Einblicke in den Ursprung des Planeten und seine Entwicklung. «Kohlendioxidmoleküle sind gute Indikatoren für die Geschichte der Planetenentstehung», sagt Elspeth Lee, Mitautorin der Studie, Ambizione-Stipendiatin an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS. «Der eindeutige Nachweis von Kohlendioxid in WASP-39b gibt uns Aufschluss über den Bestand an Kohlenstoff- und Sauerstoffmolekülen in der Atmosphäre. Dadurch erhalten wir eine Vorstellung von den vielfältigen chemischen Prozessen, die in Atmosphären unter solch extremen Bedingungen ablaufen, sowie von dem möglichen Gesteins- und Gasmaterial, das der Planet während seiner Entstehungsphasen aufgenommen haben könnte», so Lee weiter.
Early Release Science
Die NIRSpec-Beobachtung von WASP-39b ist nur ein Teil eines grossen Beobachtungsvorhabens mit dem James Webb Teleskop, das weitere Beobachtungen von WASP-39b sowie Beobachtungen von zwei anderen Planeten umfasst. Die Beobachtungen sind Teil des sogenannten Early Release Science-Programms, das entwickelt wurde, um der internationalen Forschungsgemeinschaft so schnell wie möglich wissenschaftliche Daten vom James Webb Teleskop zur Verfügung zu stellen und dadurch die bestmögliche wissenschaftliche Nutzung des Weltraumteleskops sicher zu stellen.
Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze
Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.
Exoplanetenforschung in Genf: 25 Jahre Expertise mit Nobelpreis ausgezeichnet
Der erste Exoplanet wurde 1995 von zwei Forschern der Universität Genf, Michel Mayor und Didier Queloz, entdeckt, die 2019 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden. Diese Entdeckung verhalf der Abteilung für Astronomie der Universität Genf zu einer Spitzenposition in der Forschung auf diesem Gebiet, insbesondere durch den Bau und die Installation von HARPS am 3,6-m-Teleskop der ESO in La Silla im Jahr 2003, einem Spektrographen, der zwei Jahrzehnte lang der weltweit leistungsfähigste zur Bestimmung der Masse von Exoplaeten war. HARPS wurde dieses Jahr jedoch von ESPRESSO übertroffen, einem weiteren Spektrographen, der in Genf gebaut und am VLT auf dem Paranal installiert wurde.
Die Schweiz hat sich mit der CHEOPS-Mission auch an der Beobachtung von Exoplaneten aus dem Weltraum beteiligt. Diese Mission ist das Ergebnis zweier nationaler Expertisen: zum einen aus dem Weltraum-Know-how der Universität Bern in Zusammenarbeit mit ihrer Genfer Partneruniversität, zum anderen die Bodenerfahrung der Universität Genf, die von ihrer Partneruniversität in der Hauptstadt unterstützt wird. Zwei wissenschaftliche und technische Kompetenzen, die auch zur Gründung des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS geführt haben.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Monika Lendl
Astronomie Departement und NFS PlanetS, Universität Genf
Tel.: +41 22 379 24 45
E-Mail: monika.lendl@unige.ch
Originalpublikation:
JWST Transiting Exoplanet Community Early Release Science Team: Identification of carbon dioxide in an exoplanet atmosphere, Accepted for publication in Nature
https://arxiv.org/abs/2208.11692
Weitere Informationen:
https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2022/medi…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch